Was gibt es schöneres als nach einem Tag am Segelboot im Hafen zu sitzen, vorzugsweise am eigenen Bug, oder auch in einer Hafenbar, die Liebste im Arm, ein volles Glas in der Hand und den einlaufenden Schiffen beim Anlegen zuzuschauen, Hafenkino eben.

Da erlebst Du viel, kannst viel beobachten und noch mehr lernen. Du musst Dir nur immer die Frage stellen, wie Du selbst reagiert hättest, was bei der Kommunikation gut bzw schlecht gelaufen ist, reflektieren, wie sich der Skipper verhalten hat. Denn letztendlich ist das Anlegemanöver immer das Manöver des Skippers, er hat die alleinige Verantwortung, er muss die Crew vorbereiten, richtig postieren und wie ein Dirigent die Abläufe koordinieren.

Es gibt Crews, da fällt kein einziges lautes Wort beim Anlegen, das Manöver wird ruhig ausgeführt, ohne Hektik, aber jeder Handgriff wohl überlegt. Und wenn etwas nicht gleich funktioniert, dann wird der Anlegeversuch auf Kommando abgebrochen, die Crew formiert sich neu, ein weiterer Versuch wird gestartet, auch diesmal gänzlich ohne Hektik.

Und dann gibt es die Boote, die Du schon hörst bevor Du sie siehst. Da wird wild geschrien, gestikuliert, wilde Szenen spielen sich ab, Ehen drohen zu zerbrechen, nur weil ein Fender falsch sitzt oder die Handschuhe nicht auffindbar sind.

Oder die Crews mit geschlechtsspezifischer Rollenaufteilung: Die Mädels räkeln sich noch im Bikini in der Sonne, während sich der männliche Teil der Crew beim Anlegen abmüht. Niemals würde einer echten Schiffsdame einfallen auch nur einen Finger zu krümmen, wenn Not am Mann ist, sie ist ja keiner.

Dazwischen gibt es noch alle Nuancen und noch viel mehr.

Und dann gibt es Horst.

Horst ist ein sehr erfahrener Segler, der nach eigenen Angaben unter härtesten Bedingungen schon schlimmsten Unwettern getrotzt hat. Horst hat unendlich viele Seemeilen unterm Kiel. Aber Horst ist auch Deutscher, nämlich so richtig Deutsch, wie aus einem Comic. Und Rentner. Und er weiß alles, kann alles und muss Dir das auch unbedingt sofort mitteilen.

Wir sitzen also in unserer Marina in San Giorgio im Hafenkino und schauen unseren Freunden aus Wien beim Einlaufen zu. Miriam und Franz haben so wie wir vor kurzem ein altes Stahlboot gekauft, einen Langkieler. Mit Langkieler bezeichnet man eine aus der Mode gekommene Bauart, bei der der Kiel sich über einen Großteil der Bootslänge zieht, das Boot liegt dadurch ruhiger im Wasser ist allerdings bei geringen Geschwindigkeiten schwieriger zu steuern, insbesondere im Rückwärtsgang. Neue Boote werden heute in erster Linie als Kurzkieler gebaut, damit sind sie schneller, wendiger, müssen aber präziser gesteuert werden.

Miriam und Franz haben noch wenig Erfahrung auf ihrem Schiff, der Wind bläst recht kräftig von der Seite, dafür ist der Platz zwischen den Dauben recht eng. Franz nähert sich vorsichtig dem Liegeplatz im Retourgang, der Wind verbläst ihn, er korrigiert, Miriam führt in der Zwischenzeit die Leinen und vertäut das Schifferl zwischen den Dauben. Wir stehen am Steg und warten, dass Miriam uns die Heckleinen zuwirft. Da passiert das große Unglück, einen Leine ist nicht gut aufgeschossen, verheddert sich beim Werfen und fällt ins Wasser. Erst beim 2. Versuch klappt alles planmäßig. Ich möchte soeben Franz und Miriam für das unter diesen Windbedingungen schwierige Manöver gratulieren. Es hat nicht alles beim ersten Mal geklappt und Miriam musste ein bisschen Schwitzen, aber alles in allem und bei diesem Schiff – Chapeau!

Aber da habe ich nicht mit Horst gerechnet. Noch bevor ich den Mund auf bekomme, schießt Horst heran. In einer schier endlosen Suada ergießt sich seine Kritik über die verdutzten Segler. „Das geht doch nicht, dass die Leinen so schlecht aufgeschossen sind, das muss vor dem Anlegen alles richtig bereit liegen, der Fender hängt falsch, welcher Stümper hat das schon wieder verbrochen, der Knoten, schau Dir den Knoten an, den muss man doch ganz anders machen, am besten ist Du machst überhaupt eine ganz anderen Knoten, den kenn’ ich noch von meiner Zeit an der Nordsee, wann habt ihr gerefft und welches Segel zuerst? Was, die Fock? Die Fock? Hab ich doch gleich gesagt, keine Ahnung vom Segeln, das musst Du ganz anders machen……

Dazu zappelt er auf dem Steg hin und her und schaut dabei aus wie die leibliche Frucht von der Frau Kaiser aus dem Kaisermühlenblues und dem Rumpelstilzchen.

So geht das mindestens 10 Minuten lang. Und da er so schnell spricht kommt er gar nicht zum Atmen und sein Gesicht wird röter und röter, bis es so rot ist wie die Pomodori vom Gemüsehändler in San Giorgio und die Adern an seinem Hals so dick sind wie der feinste Marchfelder Solospargel. Endlich lässt dieser Großmeister der Rhetorik und Didaktik von uns allen ab und verzieht sich zurück auf sein Schiff.

Miriam und Franz atmen erleichtert auf. Wir hingegen können uns ein breites Grinsen nicht verkneifen und laden die Beiden auf ein Anlegerbier auf unsere GYPSEA ein.

Hafenkino mit Horst ist ein Erlebnis. Hoffentlich ist er nicht da, wenn wir anlegen.