Der 30. April 2024 war offiziell unser letzter Arbeitstag, am 1. Mai sind wir in der Früh in unser neues Leben aufgebrochen. Seit über einem Jahr sind wir also schon unterwegs. Wir haben viel erlebt, Positives wie Negatives. War es eine gute Entscheidung unsere bürgerliche Existenz hinter uns zu lassen? Haben sich unsere Erwartungen erfüllt? Was läuft anders? Ich versuche ein Resümee.
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Die Abschiede tun mehr weh als erwartet. Es ist nicht leicht Familie und Freunde zurückzulassen. Internet und Mobiltelefonie helfen da ein wenig.
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Die Winde im Mittelmeer sind schwierig. Entweder es ist zu wenig Wind, oder zu viel Wind und dann immer aus der falschen Richtung, meist direkt auf die Nase.
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Wir müssen viel öfter als erwartet den Motor einschalten. Hoffentlich wird das bald besser.
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So mancher starker Wind hat unseren ursprünglichen Enthusiasmus gebremst. Wind beim Segeln ist das eine, das geht noch irgendwie. Aber Wind am Ankerplatz, vielleicht noch auflandig, beansprucht das Nervenkostüm doch erstaunlich stark. Wellen dazu verbessern da nicht gerade die Stimmung.
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Wellen sind überhaupt unangenehmer als Wind.
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GYPSEA ist ein starkes, widerstandsfähiges und sehr seetüchtiges Boot, weit besser als seine Crew. Ein Mittelcockpit bietet wirklich viel Sicher- und Geborgenheit, die feste Railing ist genial. Eine Ketch zu segeln ist übrigens sehr geil!
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Technische Probleme gehören zum Segleralltag, damit kämpfen alle Crews. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob das Boot alt oder neu ist. Vielleicht ist ein älteres, erprobtes Boot dabei sogar im Vorteil. Nicht umsonst heißt Blauwassersegeln sein Boot an den schönsten Plätzen der Welt zu reparieren.
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Die anfänglichen technischen Schwierigkeiten haben unsere Motivation schwer beansprucht. Jetzt läuft es ziemlich gut, das kann sich aber auch rasch wieder ändern.
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Egal was das Problem ist, es gibt praktisch immer eine Lösung. Es gibt keinen Grund zum Verzagen, am Ende wird alles gut.
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Langzeitsegeln fühlt sich nicht wie Urlaub an. Das Leben ist zwar viel entspannter und langsamer, trotzdem gibt es viel Alltag. Kochen, Haushalt, Wäsche waschen, proviantieren, Wartungsarbeiten nehmen viel Zeit in Anspruch.
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Wir lieben unsere Waschmaschine.
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Auch das Segeln selbst ist anstrengender als erwartet.
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Beim Segeln lernen wir ständig dazu. Unser Freund Alain, der seit über 40 Jahren auf seinem Segelschiff weltweit unterwegs ist, hat uns erzählt, dass sich das auch nie ändern wird.
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Segelsituationen, die uns vor einem Jahr noch in Panik ausbrechen ließen, nehmen wir nun viel gelassener.
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Es gibt unvorstellbar viele nette, hilfsbereite Menschen auf dieser Welt. Wir hören und lesen immer nur Bad News, das verzerrt den Blick gewaltig. Spontan fallen mir unzählige nette Begegnungen ein, wirklich schlechte Erfahrungen haben wir hingegen noch keine gemacht.
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Wir haben einige sehr interessante Menschen kennengelernt und auch Freundschaften geschlossen. Trotzdem sind wir noch nicht in der Langfahrt-Community angekommen, wir sind aber auch die diesbezüglich typischen Seglerhotspots nicht angefahren.
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Finanziell können wir nicht unbeschwert in Tag leben, wir müssen auf unser Budget genau achten. Aber mit ein bisserl Disziplin geht auch das.
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Wir denken gerne an unsere Zeit in der Berufswelt zurück, wollen da aber nicht mehr hin.
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Unser Leben ist weitgehend selbstbestimmt, für jede Handlung sind wir vollumfänglich selbst verantwortlich. Das genießen wir sehr, es kann aber auch bisweilen anstrengend sein.
Haben wir es je bereut, dass wir in ein neues Leben aufgebrochen sind? Nein, keine Sekunde!