Bea und Wolfi biegen am Buchtausgang links ab Richtung Marina, dann sind sie weg. Auch wir machen uns für den Aufbruch bereit. Doch zuvor möchte ich noch der Sache mit der Tankanzeige auf die Spur kommen: In Novigrad habe ich 500l Diesel getankt, Die Tankanzeige zeigt genau Null an. Die Arbeithypothese lautet: bei der Tanksanierung wurde der Schwimmer des Tankgebers beschädigt und gibt deshalb kein Signal. Nach dem Ausbau des Gebers stelle ich fest:
– der Tankgeber ist unbeschädigt.
– er funktioniert einwandfrei
– er ist komplett trocken ohne Spuren von Diesel.

Ich hole die Taschenlampe und blinzle in das Loch des Tankgebers. Tatsächlich, es ist kaum Sprit im Tank! Der Blutdruck steigt, Schweißperlen zieren meine Stirn und tropfen auf den Maschinenraumboden. Haben wir wirklich 500l Diesel verbraucht?

Ich mache das gleiche wie letztes Jahr, als ich komische Geräusche aus dem Tank hörte. Ich informiere Nicky und hole die Schraubenschlüssel. Nach gefühlt unendlich vielen Schrauben ist die Putzöffnung vom Tank endlich offen. Wir lugen in den Tank und sehen NICHTS. Nichts außer gähnender Leere! Ein Rohr, das ich als Ansaugstutzen identifiziere ragt traurig in ein dünnes Lackerl Diesel. Der Verzweiflung durchaus ein Stück näher gerückt versuchen wir erste mögliche Diagnosen für die wundersame Tankentleerung zu finden:
1. wir wurden bei der Tankstelle betrogen
2. bei unserem letzten Marinaaufenthalt hat jemand Sprit aus dem Tank geklaut
3. in der Nacht vor Anker wurden wir Opfer eines unbemerkten Überfalls mit Tankraub
4. der Tank hat ein Loch und er Treibstoff ist in den Kiel gesickert
5. wir brauchen unendlich viel Treibstoff
6. wir haben in der Adria eine Dieselpest verursacht, ist aber sehr unwahrscheinlich, das wäre uns sicherlich aufgefallen

Egal was auch immer die Ursache sein möge, wir brauchen jetzt Diesel. Wozu bin ich Mitglied bei Seahelp (das ist der ÖAMTC für die Adria)? Hastig tippe ich mit zittrigen Fingern die Nummer in das Handy. Sogleich meldet sich ein freundlicher Deutsch sprechender Herr, der meinen Hilferuf entgegen nimmt. Nach einigem hin und her bekommen wir folgendes Angebot: Ein Einsatzboot ist zur Zeit nicht verfügbar, da soeben im Einsatz und das kann noch Stunden dauern. Wenn es dann doch kommt, können wir nur 20l Diesel kriegen, was wohl die 2sm bis zur Tankstelle Pula reicht, aber nicht wenn man seit Novigrad bereits 500l Sprit verbraucht hat. Ob uns das Boot begleiten kann wird sich noch zeigen. Na bravo, mein Mitgliedsbeitrag war wohl eine ebenso gute Investition wie meine Immofinanz-Aktien in der Finanzkrise.

Bea und Wolfgang sind unweit in der Marina, präparieren ihr Boot für eine längere Segelpause und fahren heute noch nach Hause nach Salzburg. Ich rufe sie an und berichte von unserem Dilemma. Spontan bringen sie 2 Kanister, insgesamt 40l Diesel, mit dem Auto in unsere Ankerbucht. That’s what friends are for! Bei unserer Herbstwanderung geht die Runde in der Hütte auf mich, versprochen.

Nicky leert den Kanisterinhalt in den Tankstutzen, ich checke derweil im Maschinenraum, was mit dem Treibstoff passiert. Der rauscht fröhlich in den Tank und verschwindet. Ich stecke meinen Kopf durch die Putzöffnung tief in den Tank, der Lichtkegel der Taschenlampe bringt die Erleuchtung: Ganz hinten, dort wo man sonst nie hinschaut, ist eine Öffnung, die zu einem darunterliegenden Tank führt, dessen Existenz uns bislang völlig unbekannt war. Dorthin geht auch die tatsächliche Treibstoffansaugleitung. Das Rohr, das ich zuerst irrtümlich für diese hielt ist offenbar nur ein funktionsloses Relikt aus der Vergangenheit. Ein Rudiment, wie z.B. der Beckenknochen beim Delfin. Es gibt auch Rudimente, die zwar noch funktionsfähig wären, aber in der Praxis keinerlei Bedeutung haben, eher hinderlich sind. Die Weisheitszähne beim Menschen sind so etwas. Und unser Tankgeber. Zeigt dieser Null so wissen wir, dass noch zwischen 0 und 500l Diesel im unteren Tank sind. Eine für sich genommene interessante Information, aber in der Praxis zu ungenau um damit zu kalkulieren und damit absolut nutzlos.

Eines wurde aber somit schlagartig klar – die Katastrophe ist abgesagt.

Fazit:
– Don’t panic!
– Es ist immer gut Freunde in der Nähe zu haben.
– Mit Fehlerdiagnose 4 lagen wir gar nicht so falsch, wenn doch auch ganz anders als angenommen.
– Selten, aber manchmal halt doch, bringt es ungeahnte Erkenntnisse, wenn man seine Nase tief in ein schwarzes Loch steckt, vorausgesetzt man hat eine Taschenlampe dabei
– Es ist von Vorteil, wenn man sein Boot genau kennt.
– Das Tankgeberdilemma kommt auf die ToDo-Liste für den Winter