Wir sind brav und emsig wie die Bienen. Falscher Vergleich, eilen wir doch nicht von Blüte zur Blüte bei Sonnenschein, sondern wühlen uns quasi durch das Kellergeschoß unseres Bootes, immer auf der Suche nach versteckten Roststellen in hinteren Winkeln unter den Bodenbrettern. Abends ähneln wir dann eher den Nacktmullen, so verzweifelt zerstört und verdreckt wie wir ausschauen.
Nein, das kann so nicht weitergehen, immerhin sind wir im Mezzogiorno, beim dolce far niente. Ein Auto ist rasch gemietet, natürlich ein kleiner quirliger Cinquecento. Und mit diesem hauen wir ab, erkunden das Umland. Unsere Erlebnisse seien hier kurz zusammengefasst:
Apuliens Landschaft hat viele Gesichter. In manchen Gegenden fährt man durch knorrige und perfekt gepflegte Olivenhaine, andere erinnern an das hügelige Weinviertel mit Kaktus- (also Opuntien) und Palmenbegleitung. Sehr gerne verstellen verlassene und verfallende Bausünden die Sicht, Abfallberge im Straßengraben sind obligat. Die Ortschaften sind durchwegs gepflegt, wirken aber zu dieser Jahreszeit ähnlich verlassen wie die Straßendörfer im Marchfeld im Spätherbst.
Die Fahrweise der italienischen AutofahrerInnen hat zwar in den vergangenen Jahrzehnten an Exotik verloren, die Interpretation der Verkehrszeichen ist jedoch immer noch situationselastisch, ebenso die Spurtreue und das Kurvenfahrverhalten. Auch hat sich die Sinnhaftigkeit von Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen noch nicht im kollektiven Bewusstsein des italienischen Automobilisten niedergeschlagen. Wichtig jedenfalls ist es während der Fahrt wild zu gestikulieren, die Zigarette in der Hand ist optional, das Handy hingegen obligat. Gehupt wird, aber nicht mehr so ausführlich und oft wie in meiner Erinnerung, dafür hauptsächlich in den frühen Morgenstunden (was jedoch eine persönliche und sehr subjektiver Wahrnehmung von mir sein kann).
Es gibt eine Reihe von bemerkenswerten und uralten Ortschaften, alle mit einem eigenen Charakter und Erscheinungsbild. Eines ist jedoch immer gleich, die Geschichte:
Wenn nicht schon von früher, dann findet man zumindest aus der Bronzezeit erste Siedlungsreste. Dann kamen die Griechen, meist aus irgendeinem Grund in der Heimat in Ungnade gefallen und und zum Verlassen ebendieser mit Nachdruck überzeugt. Irgendwelche Götter und die Folgen vom Trojanischen Krieg spielen da selbstverständlich immer eine wichtige Rolle. Dann kamen die Römer. Um gegen Hannibal und die Karthager gut kämpfen zu können wurde die Infrastruktur ausgebaut. Nach Zerfall des Römischen Reiches trieben die Byzantiner, Sarazenen, Normannen, Staufer, Osmanen und noch einiger mehr ihr Unwesen in unterschiedlicher Reihenfolge, jedenfalls wurden bei jedem Herrschaftswechsel gemordet und gebrandschatzt. Danach wurde alles wieder aufgebaut, inklusive einer Unmenge an Kirchen. Ebenso wurden die Verteidigungsanlagen immer weiter vergrößert und ausgebaut, bis sie schließlich am Höhepunkt ihrer Größe die Bedeutung verloren, unnütz wurden und heute lediglich als Attraktionen für Touristenscharen dienen. In der Haut von so einer Verteidigungsanlage möchtest Du auch nicht stecken.
Aber jetzt der Reihe nach:
Matera
Matera, 1993 zum UNESCO-Wekltkulturerbe erklärt, wird neben Jericho und Aleppo zu den ältesten Städten der Welt gezählt. Sehenswert sind die Höhlensiedlungen, Sassi di Matera. Die steilen Hänge des Gravina Flusses bestehen aus einem weichen Kalkstein, in den seit Urzeiten Höhlen mit einfachsten Mitteln gegraben wurden, die Eingänge zu den Höhlen wurden mit Fassaden versehen. In diesen Höhlenwohnungen lebte man bis in die 1950er Jahre meist gemeinsam mit den Haustieren, ohne Fließwasser oder sanitären Einrichtungen.
Ostuni
Die wichtigste Attraktion von Ostuni ist die hervorragend erhaltene Altstadt mit ihrem Gewirr von Gassen und Stiegen zwischen den typischen weiß gekalkten Häusern, Ostuni wird deshalb auch Citta Bianca genannt. Außerdem hat man von hier einen wunderbaren Ausblick auf das Umland und die 8km entfernte Adria.
Brindisi
Nette kleine Altstadt, alte Befestigungsanlage aus dem 13 Jhdt., imposanter Hafen. Hier endete auch die Via Appia, einer der wichtigsten Handelsstraßen im Römischen Reich. 312 v. Chr. wurde ihr Bau begonnen, 190 v. Chr. in Brindisi beendet. Brindisi wurde damit ein wichtiger Umschlagplatz für Waren und Sklaven, halt alles was man so im Haushalt braucht.
Monopoli
Monopoli ist nicht nur ein bekanntes Spiel, sondern auch ein netter Hafenort. Leider zu dieser Jahreszeit etwas ausgestorben.
Otranto
So wie Monopoli, nur größer und mit einem wirklich sehenswerten Dom aus dem 12. Jhdt und einem sehr interessanten Bodenmosaik.
Lecce
Endlich eine Stadt, die auch zu dieser Jahreszeit belebt ist. Die Altstadt wurde im Barockstil erbaut bzw. barockisiert, alles sehr stilvoll und beeindruckend. Leider gewinnt man in der Nähe einen sehr gut bearbeitbaren kalkigen Sandstein, der für die Errichtung von Kirchenfassaden und Altären benutzt wurde. So entstanden eine Reihe von scheußlich überladenen und kitschigen Sakralbauten, durchaus sehenswert, Adolf Loos hätte seine Freude gehabt.
Auch bei der Ansammlung von besonders grauenhaft gemarterten Heiligen und Christusstatuen hat man nicht gespart. Zur Ergänzung gibt es dann noch zahlreiche lebensgroße Darstellungen von heiligen Frauen, die mit verklärt lüsternen Blick die Gemarterten anhimmeln, die Religion der Nächstenliebe at its best.
Gegessen haben wir übrigens ganz hervorragend in einer kleinen Trattoria, es war ganz und gar köstlich.