Lieber Gregor!

Wir möchten uns nochmals herzlich für Deine Fürsorge auf unserem Abschiedsfest bedanken. In einem Seahelp-Sackerl hast Du uns eine Flasche Retsina, ein griechisches Bier, Ouzo und eine Dose Dolmades überreicht, mit den begleitenden feinfühligen Worten: „Bis nach Griechenland schafft Ihr es nie, deshalb bringe ich Griechenland zu Euch!“

Nun lieber Gregor, wie Du weißt ist eine meine Schlüsselkompetenzen das Enttäuschen, darin bin ich wirklich gut. Und ich muss auch Dich enttäuschen, wir haben es nämlich bis nach Korfu geschafft, also eindeutig griechischen Boden erreicht. Hätten wir Deine Gaben nicht schon längst restlos verputzt würde ich sie Dir per Post retour schicken.

Zur weitere Demütigung Deiner kecken These werde ich nun Details unseres Reiseabenteuers berichten:

Das Ausklarieren in Tivat/Montenegro hat kaum 4 Stunden gedauert. Zuerst war Mittagspause (obwohl Amtsstunden), dann hat das das Internet nicht funktioniert (das Problem befand sich zwischen Stuhl und Tastatur). Seit dem letzten Regierungsumbau wurde in Montenegro die Anzahl der Ministerien verdreifacht (derzeit 32 Ministerien für ein 600.000 Einwohnerland) und damit mussten alle Amtsstempel geändert werden. Der neue Amtsstempel steckte im Verkehrsstau zwischen Kotor und Tivat. Zum Abschluß war noch der Grenzpolizist auf Mittagspause. Dafür sind 4 Stunden ja praktisch nichts.

Am späten Nachmittag haben wir dann Montenegro verlassen. Der Wind war etwas von der Küste entfernt gut und stetig, nur die Wellen ließen unsere GYPSEA recht rollen, was die Stimmung an Bord nicht unbedingt verbesserte. Unsere erste Nacht auf See war erstaunlich unspektakulär. Unser 6-stündiger Wachrhythmus hat sich bewährt, ich steuerte von 20-2:00, dann kam die ausgeschlafene Nicky dran.

Wir wählten eine Route ziemlich genau in der Mitte zwischen Italien und Albanien, rundumadum alles blau, kein Land in Sicht. Boote bzw. Schiffe haben wir auch keine gesehen. Wir konnten zwar viel segeln, aber so um die Mittagszeit hat uns der Perkins dann doch geschoben. Am Nachmittag kam dann wieder der Wind von NW. Die zweite Nacht war genauso ruhig wie die erste, ab Küstennähe gab es dann aber doch einige Schiffe zu beachten, da haben wir dann unser Radar so richtig zu schätzen gelernt (das AIS wollte leider nicht, am Plotter war die Software gerade abgelaufen und brauchte ein Update, eh klar).

Ab den Morgenstunden mussten wir dann wieder Herrn Perkins bemühen, am frühen Nachmittag fiel der Anker auf 10m in der Bucht südlich von der Festung von Korfu. Wir waren also ab Kotor 50 Stunden unterwegs. Es gibt hier übrigens keinen Zollsteg. Du legst also irgendwo an und gehst dann zu Fuß zur Immigration und ins Hafenbüro. Das liegt natürlich am anderen Ende vom Hafen und die Sonne scheint unbarmherzig, 35° im Schatten, aber der ist halt auch nicht immer verfügbar. Dem fliegenden Spaghettimonster sei Dank, haben wir auf dem Weg einen netten Souvlakiladen entdeckt, da sind wir mittlerweile Stammgäste. Hafenbehörde und Hafenpolizei waren sehr hilfreich. Bei der Immigration haben wir 2 Stunden gewartet um von einer maximal unfreundlichen Beamtin zu erfahren, dass wir keine brauchen. Interessant, wenn man aus einem Nicht-Schengen-Land einreist.

Jetzt liegen wir hier schon einige Tage vor Anker und es ist so ruhig, dass wir sorgenlos tagsüber das Boot verlassen können. Das Zentrum von Korfu Stadt gefällt uns sehr. Korfu wird im Gegensatz zu vielen anderen Tourismusmetropolen noch wirklich von Einheimischen bewohnt, ist noch nicht sterilrenoviert und damit lebendig und bunt. 2 Tage lang haben wir die Insel mit dem Mietauto erkundigt, diverse Strände besucht und natürlich auch den Palast, den die unglückliche Kaiserin Sisi erbauen lies. Das Landesinnere besticht mit seiner Schönheit, ebenso die Strände, die aber vom Massentourismus übervölkert sind. Ein Strand hat uns besonders imponiert, er war versteckt, fast menschenleer und von einem Kircherl flankiert, das dem Hl. Nikolaus, unserem Schutzpatron, geweiht war.

Die Straßen erinnern an die in Montenegro. Auffallend sind hier die Baustellen: Bei uns in Österreich werden Baustellentafeln aufgestellt, der Asphalt entfernt und dann ist wochenlang niemand zu sehen. Hier läuft das alles effizienter. Es werden lediglich die Tafeln aufgestellt, dann passiert nichts mehr. Den Asphalt braucht man auch nicht zu entfernen, ist eh kaum einer da.

Du siehst also lieber Gregor, dass wir schon ziemlich in Griechenland eingetaucht sind. Heute am Nachmittag soll wieder ein leichter NW wehen, den wir für unsere Fahrt in den Süden nützen wollen.

Liebe Grüße und adio aus Hellas,

Gerhard & Nicky