Sicherheit wird bei uns an Bord sehr groß geschrieben, wozu war ich in einem meiner Vorleben qualifizierte Sicherheitsfachkraft und Branschutzbeauftragter. Wir haben jede Menge Sicherheitsequipment dabei, ganz nach Vorschrift und noch viel mehr. Dazu eine Bordapotheke, die jedem Spital zur Ehre gereichen würde, inklusive Skalpell, Nähfaden und Infusionsbesteck.
Jeder Mitsegler bekommt eine ausführliche Sicherheitseinweisung, beim Segeln sind Schuhe Pflicht hingegen Alkohol tabu und nicht umgekehrt. Nur für eine Person gibt es gelegentlich Ausnahmen, den Skipper, der haut sich ab und zu die Zehen blau.
Oder er macht andere Experimente, das kam so: Der Windgenerator, hoch oben im Besanmast (also im 2. kleineren Mast), hat im Laufe der Zeit einige Schrauben abgeworfen, die es zu ersetzen gilt. Ich klettere also, wohlgemerkt gut gesichert, mit Werkzeug und diversen Schrauben bewaffnet den Mast hinauf. Es weht eine leichte Brise, der Generator dreht sich langsam. Oben angekommen frischt es auf, jetzt dreht sich das Windrad schon ganz ordentlich. Ist aber wurscht, ich pass doch eh auf. Ich beginne also zu schrauben, bewege den Kopf kurz ein Stück nach vor, es macht kurz „schrummms“ und ich verspüre eine Schlag auf hoch oben auf der Stirn. Macht nichts, tut eh nicht weh, wird eventuell eine kleine Beule, denke ich. Doch dann sehe ich buchstäblich nur noch rot durch meine Sonnenbrille – ich blute wie eine frisch abgestochene Mastsau.
Was jetzt kommt erinnert mich an die Kampfszene aus Kill Bill, als Black Mamba mit ihrem Hattori Hanzo-Schwert einen gesamten japanischen Yakuza-Clan ausradiert. Ok, so viel Blut ist nicht horizontal aus meinem Kopf gespritzt, aber für einen veritablen Splatterfilm hätte es durchaus gereicht. Ich klettere also vom Mast. Unten, komplett blutig im Gesicht und mit blutgetränkten T-Shirt, rufe ich Nicky, bitte sie nicht zu erschrecken und um ein Stück Küchenrolle. Dieses auf die Wunde gepresst lässt die Blutung rasch versiegen.
Das Windrad hat mich zwar nicht skalpiert, aber ich habe vier saubere Schnitte in der Kopfhaut. Zum Glück ist Mittagspause in der Werft, so lösen wir am Weg in die Waschräume keine Massenpanik aus. Vom Blut gereinigt schaut das alles gleich viel weniger spektakulär aus. Nicky verarztet mich hingebungsvoll, fast hätte ich den Eindruck, es macht ihr Spass in meinen Wunden etwas zu wühlen.
Der Unfall hat mich nachhaltig geschwächt, Haushalt kann ich zur Zeit gar nicht, Essen und Fernsehen geht aber gut, so ein Glück. Ich habe das Gefühl, dass mich die Geschirrspülschwäche noch länger verfolgen wird.