Der Sonne entgegen- frei wie der Wind!
Gerrit und ich haben den gleichen unerfüllten Jugendtraum. Das ist jetzt zwar nicht rasend spektakulär, aber es zeigt dass wir erstens der gleichen Generation entspringen, zweitens ähnlichen Lieblingsbeschäftigungen nachgegangen sind, nämlich fernsehen und uns auch für die gleichen Sendungen begeistern konnten. „Der Sonne entgegen“war eine TV-Serie der frühen 80er, unglaublich erfolgreich und hat uns auch wöchentlich vor die Glotze gefesselt.
Für alle Spätgeborenen: Es gab eine Zeit vor Netflix, da hat man Serien nicht im Dauerlauf gestreamt, sondern ist an einem Tag der Woche gespannt vor dem Fernseher gesessen. Nach einer Folge war eine endlose Woche Pause. Da es meist nur einen Fernseher pro Haushalt gab, führte es zu Familienzwistigkeiten bis hin zum Amoklauf, sollte am einzig existierenden zweiten Fernsehkanal ein Programm laufen, das dem Familienpatriarchen bzw. in moderneren Familien der Familienmehrheit besser gefallen sollte, sei es Fußball, Musikantenstadl oder gar der früher omnipräsente Marcel Prawy.
Aber bei „Der Sonne entgegen“ gab es keine Streitereien, da sind alle gemeinsam vor dem Fernsehapparat gesessen, von der Uromama bis zum Kleinkind. Ganz kurz der Plot: gescheiterte Existenzen aus Österreich und Deutschland treffen sich durch Zufall in einem Ort in Kroatien, beschließen ein verfallenes Boot zu renovieren, taufen es auf TOHUWABOHU, erleben etliche harmlose Abenteuer, ernten die seltenen albanischen Salzwassermelonen und finden wieder in eine brauchbare Existenz zurück, Liebesgschichterln eingeschlossen. Besetzt war das mit den damaligen Stars des österreichischen und deutschen Fernsehens. Der Ort wo diese Serie gedreht wurde und auch gespielt hat ist Valun auf der Insel Cres, da wollen wir unbedingt hin. Und weil es quasi ums Eck und auch sehr schön ist ebenso in die Stadt Cres und nach Mali Losinj. Der Rest wird sich dann schon ergeben.
Wir treffen unsere lieben Freunde und oftmaligen Reisepartner Sabine und Gerrit in Pula, der altösterreichischen Stadt mit den römischen Wurzeln. Hier ist die K&K Kriegflotte gelegen (damals die sechstgrößte der Welt, knapp vor Italien!). Am ehemaligen Kasernengelände ist neuerdings eine mondäne Marina entstanden, da ist es nur würdig und recht, unsere Gäste dort an Bord zu nehmen. Wir bunkern flüssige und feste Nahrungsmittel, gehen noch einmal in Pula gut essen und dann geht es los.
Ich nehme es gleich vorweg: wie immer wenn Sabine und Gerrit mit uns an Bord sind, klappt alles wie am Schnürchen. Die Stimmung ist gut, wir haben viel Spaß, die An- bzw. Ablegemanöver sind wie aus dem Lehrbuch und die Katastrophen bleiben (fast) aus. Nur der Wind will nicht immer so wie wir wollen, dann muss halt der Murl gestartet werden. Aber auch das schadet nichts, bis zum Motorservice brauchen wir sowieso noch 50 Motorstunden.
Unser erstes Ziel, man wird es nach dieser Einführung kaum für möglich halten, ist Valun. Ich erwarte eine quirlige, vom Tourismus überlaufene Stadt. Nichts dergleichen: Die Mole verfügt über gezählte 8 Gästeplätze und die sind nicht voll belegt. Valun ist so wie in den 80ern, ein wenig verschlafen, beschaulich, autofrei, vielleicht jetzt besser gepflegt wie zur Zeit der Dreharbeiten. Zur Titelmelodie stoßen wir stilgemäß mit Prosecco an und singen mit. Die Bootsnachbarn, links eine Crew aus Tulln, rechts eine aus Königstätten, auf ähnlicher Mission, stimmen ein. Damit ist der Zweck der Reise abgehakt, auf die Pflicht folgt die Kür.
Wir versuchen nach Mali Losinj zu segeln, bekommen aber den Wind genau auf die Nase. Nach herrlichem und stundenlangen Aufkreuzen haben wir kaum an Höhe gewonnen, wir drehen deshalb um und legen stattdessen in Cres an, was wahrlich auch kein Fehler ist.
Am nächsten Morgen versuchen wir es wieder mit Mali Losij, diesmal den Wind im Rücken, dafür aber bald zu wenig davon. Die Geschichte mit dem Genacker ist so eine Sache, die wir hier nicht näher erläutern wollen, jedenfalls ist er schneller wieder unten als er oben war.
Mali Losinj ist eine Perle. Das erste mal war ich als kleiner Knirps da, der am Weg zum Strand täglich über seine eigenen Füße gestolpert ist und deshalb permanent blutige Handballen und Knie gehabt hat. Mama hat mich immer sofort mit Aristamid Gel behandelt (ist heute glaub ich verboten) und entsetzlich bemitleidet. Das hat mir gefallen, ich wollte sie auch nicht enttäuschen und so fand das Theater täglich statt.
Das zweite mal hat es uns nur kurz hierher verschlagen. Es war rund um den ersten Geburtstag unserer Tochter. Wir hatten ein kleines Zelt am Campingplatz in Punta Kriza auf Cres. Meine Eltern, die zeitgleich bei Freunden in Cres waren, hörten von einem herannahenden Unwetter, sind uns suchen gefahren und haben uns quasi gerettet. Wir brachen das Zelt ab und machten uns auf Quartiersuche. Mali Losinj war übervoll, aber in Veli Losinj haben wir dann doch noch ein nettes Platzerl gefunden, inklusive Igelfamilie im Garten, für Johanna die täglich bestaunte Hauptattraktion. Das Unwetter hat übrigens ziemliche Schäden angerichtet und ganze Campingplätze devastiert. Danke Mama und Papa!
Heute komme ich zum dritten mal nach M.L. Die Hafeneinfahrt alleine ist beeindruckend. Wir legen mit einer selbstverständlichen Sicherheit am Stadkai an, die uns selbst erstaunt. Ende des 19. Jahrhunderts erkannte der von hier stammende und in Wien ausgebildete Botaniker Ambroz Haracic die klimatische Besonderheit vom Losinjer Archipel, startete Aufforstungsprogramme und bewarb M.L. als Luftkurort. Die zahlreichen mondänen Villen, insbesondere in der Cikat-Bucht sind Zeugen dieser Epoche. Da müssen wir natürlich hin und kurz ins Wasser springen.
Im Gegensatz dazu steht der älteste Stadtteil, Sv. Martin, 15 Gehminuten vom Hafen über einen Hügel zur Ostseite der Insel. Sv. Martin ist ein kleiner beschaulicher Ort, abseits des Touristenrummels. Der Friedhof ist beeindruckend, spiegelt er doch die Geschichte der ganzen Region wieder. Es finden sich kroatische, italienische und deutsche Namen jeweils zu rund einem Drittel, zumindest auf den Gräbern, die vor dem 1. WK datieren.
Die Nacht wird einigermaßen unruhig, diesmal nicht dem Wetter, sondern der feiernden Bootsnachbarn geschuldet. Da sehnt man sich nach einer einsamen Bucht…..
Und die steuern wir am nächsten Tag auch an. Nach dem Kulturtag kommt ein Badetag, leider etwas kühler als erwünscht. Am Abend gibt es Pasta mit Thunfisch und Garnelen aus der Kombüse.
Dann ist die Woche auch schon wieder um. Wir motoren retour Richtung Pula und verbringen die letzte Nacht in unserer Lieblingsbucht (siehe dazu auch Begegbungen II). Wir mögen diesen Platz sehr, aber offensichtlich gibt es dort ein spezielles Karma, das Bermudadreick Pulas sozusagen. Auch diesmal haben wir eine Panne: In der Früh will die Ankerwinsch unter keinen Umständen den Anker nach oben ziehen, sie gibt keinen Mucks von sich. Runter geht alles problemlos, aber rauf geht gar nichts. Dem fliegenden Spaghettimonster sei ewig gedankt, es gibt ja zwei muskulöse und durchtrainierte Männer an Bord. Gemeinsam holen Gerrit und ich mit der Bihänder-Winschkurbel den Anker ein, was ein anschließendes Ankerbier schon am Vormittag rechtfertigt.
Dann geht es zurück in die schöne neue Marina, wo wir Sabine und Gerrit verabschieden. Das Boot ist seltsam leer und wir vermissen unsere Freunde.
Später wird ein Elektriker nach einer Stunde Arbeitszeit und €80,- auch nicht wissen, warum die Winsch nicht wollte, aber wie durch Zauberhand funktioniert wieder alles. Meine Vermutung: Wahrscheinlich war ein nicht fest angezogener Kontakt die Ursache.
PS: Alle Fotos hat Gerrit gemacht, vielen Dank!