Die Straße von Gibraltar wird bei Seglern durchaus gefürchtet, insbesondere wenn man von Ost nach West möchte. Meist sind Wind, Welle und Strömung gegen einen, neuerdings machen auch Orcas Probleme. Sie haben herausgefunden, dass sie mit ihren Schnauzen wunderbar Ruder von Segelyachten verbiegen bzw abbrechen können und das macht ihnen richtig Spass, insbesondere wenn aus dem Boot Reaktionen kommen. Ihnen geht es da so wie uns beim Anblick der Meeressäuger, wir sind neugierig und hoffen auf Interaktionen mit ihnen. Wenn sie sich zur Seite drehen und Augenkontakt suchen, ist das immer wieder ein ergreifender Moment. Die intelligenten Meeressäuger empfinden das offensichtlich ähnlich und freuen sich über Reaktionen. Wir haben das immer wieder bei Delfinen beobachtet. Die Orcas haben gelernt, dass viel Reaktion kommt, wenn sie mit der Nase an das Ruder stupsen, vor allem wenn es bricht. Wir haben bislang unveröffentlichtes Filmmaterial sehen dürfen das zeigt, mit wie viel Vorsicht und Behutsamkeit am Ruder manipuliert wird. Von Aggression war da keine Spur für uns Laien zu erkennen, viel eher von Interesse und Freude am Kontakt. Uns wurde erzählt, dass die jugendlichen Orcas warten, bis die Mama abtaucht und dann beginnen sie mit dem Unsinn, wie ausgelassene Teenager eben.
Im Internet machen wir uns schlau, wie wir am besten durch die Straße von Gibraltar kommen. Wir lesen von Gezeitentafeln, Strömungstabellen und anderem unverständlichen Zeugs. Heute ist das viel einfacher, man fragt einfach die App Windy und die sagt einem, wann die Bedingungen passen. Wir haben ein günstiges Zeitfenster zwischen 9:30 und 14:00, da brauchen wir nicht einmal früh aufstehen, perfekt.
Da kaum Wind bläst motorsegeln wir über die spiegelglatte See und GYPSEA pflutscht problemlos durch die Meeresenge. Orcas sehen wir keine, dafür begleiten uns unsere Freunde, die Delfine. Als wir bei Tarifa den Anker fallen lassen kann Nicky es kaum glauben, dass die von ihr so gefürchtete Passage bereits hinter uns liegt und wir im Atlantik sind.
In Tarifa wollen wir eine Nacht bleiben, aber das Städtchen ist so entzückend, dass wir eine zweite Nacht anschließen.
1988 war ich mit Jac auch schon hier bzw. an einem Strand in der Nähe und einsame Strände gibt es hier zuhauf. Jens und Ralph aus Bremen, die wir im Zug kennengelernt haben, waren mit von der Partie. Mit warmen 1l Faxe-Bierdosen ausgerüstet verbrachten wir die Nacht tanzend ums Lagerfeuer und ich meine meiner Erinnerung zu entnehmen, dass wir dabei ziemlich unbekleidet waren. In einer großen Zeremonie haben wir unsere Schmutzwäsche und wir hatten nur noch solche, auf einen Haufen gelegt und für sauber erklärt. Was viele für unmöglich halten ist trotzdem wahr, die Methode hat gewirkt!
Der Wetterbericht meldet für die nächsten Tage beständigen N- bis NW Wind so um die 15 kn, besser kann es kaum werden. Alles wird verstaut, verzurrt, befestigt, das Deck wird möglichst freigeräumt und dann kann es losgehen. An einem Vormittag lichten wir den Anker, hissen das Passatsegel und ab geht es Richtung Westen. Schlau wie wir sind haben wir den Zeitpunkt so gewählt, dass die Strömunmg mit uns ist. So sausen wir mit bis zu acht kn dahin, quasi Warpgeschwindigkeit.
Ich mache es kurz, die Überfahrt zu den Kanaren ist angenehm, manchmal etwas schaukelig und zum Glück unspektakulär. Immer wieder begleiten uns Delfine und Bonitos. Am letzten Abend haben wir beinahe einen Fisch gefangen, aber dieser blöde Bonito hat es geschafft, sich vom Haken zu befreien. Aber immerhin, ein Fisch war an der Angel, das ist bedeutend mehr als in den letzten Wochen. Um uns die Zeit zu vertreiben ziehen wir uns Hörbücher rein und versuchen regelmäßig zu essen. Die Zeit vergeht dann doch relativ schnell. Beim 5.Sonnenaufgang erkennen wir die Kanarischen Inseln, vor uns liegt La Graciosa unser Etappenziel. Um 7:40 fällt der Anker vor dem Playa Francesa, herrlich geschützt vor Wind und Welle. Hier wollen wir erstmals ein paar Tage bleiben. Erschöpft fallen wir in die Betten und schlafen bis tief in den Nachmittag.
Fazit zu unseren ersten Atlantiktörn:
– Der Wind bliess beständig aus der selben Richtung, mal ein bissl mehr, mal ein bissl weniger. Wenn er weniger bläst kann es durchaus nebelig werden. Richtige Überraschungen gab es keine.
– Der Wetterbericht hat erstaunlich gut gestimmt.
– Die moderne Atlantikwelle ist zwar deutlich angenehmer als die typische Mittelmeerwelle, aber längst nicht so lange wie erhofft. Außerdem kommt die Dünung immer mindestens aus zwei Richtungen.
– Das Passatsegel lässt das Boot rollen und mag wenig Wind nicht so gerne. Kommt dann noch eine ungute Welle dazu fängt es an zu schlagen.
– Sonnenaufgänge sind ja nicht so meines und waren oft im Nebel versteckt, die Sonnenuntergänge sind hingegen atemberaubend
– Der Wasserkocher braucht verdammt viel Strom. Wenn am Morgen die Batterie schon ein wenig erschöpft ist und man den Wasserkocher einschaltet fällt die Spannung kurzfristig gewaltig ab. Das mag der Giovanni (Autopilot) allerdings gar nicht, er fängt dann an aufgeregt zu piepsen und verweigert den Dienst. Dann sollte man nicht in Panik verfallen, sondern den Wasserkocher ausschalten, den Giovanni neu starten und alles ist wieder gut.
– Unsere GYPSEA ist ein verdammt gutes Schiff!
