Mit dem Wetter und dem Wind ist das immer so eine Sache. Der Meltemi hört Ende August langsam auf zu blasen, im Herbst kommen südliche Winde, die uns von Preveza ideal noch Taranto bringen werden. Soviel zur Theorie, heuer ist wohl alles anders. Der Meltemi war im Sommer schon ganz gut beinander, aber jetzt im Oktober ist er offensichtlich erst richtig in Form. Er bläst und bläst und denkt gar nicht ans aufhören. Eventuell eine kurze Pause und dann wieder Vollgas. Quasi der Marcel Hirscher unter den Winden. Dafür ziert sich die sonst so verlässliche Südströmung wie Esmeralda vor Quiasimodo und will nicht und nicht kommen.
Das Orakel von Windy zeigt sich allerdings gnädig: Von Norden zieht ein Wind die Adria hinab, stark genug um uns anzuschieben, aber nicht kräftig genug um die See aufzuwühlen. Leider zieht er weit an der Westküste Griechenlands vorbei, sodass wir ihm entgegenfahren müssten. Und dann käme er genau querab, also nicht ideal, aber auch nicht schlecht, halt sehr rollig. Außerdem ist Neumond, also zappenduster in der Nacht. Sollen wir dieses Wetterfenster wirklich wählen? Oder doch auf eine Südströmung warten? Die Tage werden kürzer, die Temperaturen werden auch nicht höher, was also tun? Wir diskutieren lange, die Argumente drehen sich im Kreis, dann steht der Entschluss fest: wir werden es wagen.
Wir verproviantieren uns kräftig, kochen Sugo und Nudeln und gehen noch einmal herzhaft griechisch Essen. Noch in Spaziergang am Hafen in der Sonne, ein letzter Kaffee. Dann nehmen wir Abschied von der griechischen Erde und bereiten uns an Bord für die Überfahrt vor.
Rund um unseren Ankerplatz tauchen Delfine auf, ganz Naturwissenschaftler deuten wir das als günstiges Omen.
Kurz vor Sonnenuntergang lichten wir den Anker in Bucht von Preveza und brechen auf. Die letzten Sonnenstrahlen geleiten uns aus der sicheren Bucht in das offene Meer. Ab 22:00 erwarten wir einen günstigen Wind ca 20 Meilen vor der Küste, bis dorthin müssen wir motoren. Und der Wind kommt wie angekündigt, allerdings viel zu schwach. Immer wieder versuchen wir ohne Motorunterstützung zu segeln, meist gelingt das aber nicht.
Da sich unsere Routine bei unserem ersten langen Schlag von Montenegro nach Griechenland bewährt hat, halten wir auch diesmal 6-Stundenschichten ein. Ich beginne von 20:00-02:00, dann ist Nicky dran. Radar und AIS sind eingeschaltet, es begegnen uns aber kaum Schiffe und wenn sind sie viele Meilen entfernt. Die erste Nacht ist sehr ruhig, eigentlich zu ruhig. Während ich bei meinen Wachen alle 20 Minuten vom Wecker geweckt werde, in 5 Minuten Ausblick halte, Radar und AIS kontrolliere, um mich dann wieder in den Schlafsack zu kuscheln um 15 Minuten zu dösen, ruht Nicky in ihrer Wache überhaupt nicht.
Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig Lust man auf Essen bei einer langen Überfahrt hat. Nudeln und Sugo finden recht wenig Absatz, der Tee fließt hingegen Literweise, Bier und Wein sind natürlich tabu.
Endlich, gegen Mittag kommt ein herrlicher Wind, der uns mit über 6 Knoten Richtung Italien sausen lässt. Am Nachmittag kommt die italienische Küste in Sicht und mit ihr auch die Küstenwache. Die Kontrolle ist sehr angenehm. Das stark motorisiere Schlauchboot kommt aus dem Hinterhalt an uns herangebraust, wir werden kurz gefragt woher wir kommen, wohin wir wollen, welcher Nationalität wir angehören und wie viele Personen an Bord sind. Noch ein paar Fotos und dann sind die netten Herren von der Guardia di Finanza auch schon wieder fort. Es lebe Schengen!
Nach Taranto sind es jetzt noch 70 Meilen, also wenn wir Glück haben 14 Stunden. Die zweite Nacht beginnt angenehm, wenn auch stockdunkel. Doch plötzlich frischt es auf, es kommen Wellen aus unterschiedlichsten Richtungen, es beutelt uns kräftig durch. Es ist kaum möglich einen vernünftigen Kurs zu Segeln. Wir rollen also alle Segel weg und schalten Mr. Perkins ein. Die Überfahrt wird ruppig und unangenehm, nicht weil der Wind so stark wäre, nicht weil die Wellen so hoch wären, nicht weil es stockdunkel ist, die Kombination aus allen drei Faktoren fordert uns gewaltig. Dazu kommen noch eine Reihe von Fischerbooten, die man nur schlecht am Radar sehen kann (AIS haben die sowieso keines) und Leuchtfeuer, die mit den Angaben auf der Karte nicht ansatzweise überein stimmen. Plötzlich, in den frühen Morgenstunden, es ist noch immer stockdunkel, perfekte Segelbedingungen. Ich packe Genua und Groß aus, mit über 7 Knoten sausen wir über das Meer, was mir in der stockdunklen Nacht fast zu schnell ist. Ich wecke Nicky und gehe schlafen. Der Wind nimmt sich an mir ein Beispiel und die arme Nicky hat jede Menge zu tun, um den immer schwächer werdenden Wind einzufangen, bis wieder Mr. Perkins übernimmt.
Mit Sonnenaufgang kommt Taranto in Sicht. Es dauert noch gut 2 Stunden, bis wir im Hafen einlaufen und über VHF die Marina kontaktieren, bzw. kontaktieren wollen, es antwortet niemand. Ein Anruf per Handy geht ins Leere, beim 2. Versuch hebt der Portier ab, der allerdings kein Wort Englisch versteht. Aber er erkennt die Lage und verspricht Hilfe. Endlich meldet sich eine Dame per Funk und bittet um Geduld, sie wissen nämlich nicht wo sie uns hinstellen sollen. Es dauert noch beinahe einen Stunde, dann liegen wir fest vertaut im der Marina Molo Sant’ Eligio.
2 Nächte, ein Tag, 206 sm, zeitweise Böen über 30kn, gar nicht schlecht für uns Anfänger. Stolz nehmen wir eine heiße (!!!) Dusche und gehen Frühstücken. Dann, kurz nach Mittag, gehen wir in die Koje und werden diese die nächsten 20 Stunden nicht mehr verlassen.