Seit unserer Abfahrt von Taranto waren wir nur auf Inseln unterwegs. Da ist es schon ein wenig spektakulär, wenn am Horizont wieder die Küste von einem echten Kontinent auftaucht. Wir fühlen uns ein wenig wie Christoph Kolumbus, der der Legende nach übrigens auch auf Ibiza gewesen sein soll, wofür es allerdings keinerlei stichhaltige Belege gibt, außer der Legende natürlich.

Die Überfahrt von Ibiza nach Cartagena, immerhin 130sm, dauert über 30 Stunden. Das doppelt ausgebaumte Passatsegel zieht uns brav. Der Wind kommt der Vorhersage entsprechend aus Nord-Ost, also genau von hinten, die Wellen hingegen aus Südost, also genau von der Seite. Insgesamt gibt das ein fürchterliches Geschaukel, in der Nacht kriegen wir deshalb nur wenig Schlaf, auch der Appetit hält sich in Grenzen, die von Nicky vorgekochte köstliche Lasagne erhält nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte. Aber so ist das halt, zwischen den schönen Orten gibt es manchmal anstrengende Passagen. Wer das nicht akzeptieren will muss zu Hause bleiben.

Müde erreichen wir Cartagena, zum Ausruhen bleibt aber wenig Zeit. Die Wäsche möchte dringend gewaschen und ein Werkstatttermin vereinbart werden. Während unserer drei Tage in Cartagena bekommt der Motor etwas Pflege vom Spezialisten, die letzten Undichtigkeiten werden beseitigt, die Ventile neu eingestellt und noch ein paar kosmetische Eingriffe vorgenommen. Adolfo von der ASCAR-Werft koordiniert die Arbeiten und schiebt uns in die Lücken des ansich gut gefüllten Arbeitsplanes seiner Mitarbeiter. Dafür möchte er einen gute Bewertung auf Navily, die kann er auch haben, sofern er noch den kaputten Thermosensor wie ausgemacht besorgt. Wir werden sehen, wie das ausgeht.

Cartagena ist eine nette unaufgeregte und wenig touristisierte Stadt mit einer Marinekaserne, einer U-Boot Werft und viel morbidem Charme. Die Arbeiter der Werft sind gerade im Streik manche sogar im Hungerstreik, natürlich geht es um Geld. Angeblich liegt das Durchschnittsgehalt von einem Facharbeiter bei €1000,- im Monat netto. Da würde ich auch streiken.
Uns hingegen geht es viel besser, wir genießen in den zahlreichen schattigen Lokalen andalusische Tapas.

Im Hafen liegt die Alu-Segelyacht mit dem bezeichnenden Namen Alubaba unter Österreichischer Flagge. Im Vorbeigehen grüßen wir mit einem lauten Servus, das sogleich erwidert wird. Johannes hat in der Coronazeit Arbeit Arbeit sein lassen und ist seitdem auf seinem Boot unterwegs, zur Zeit begleitet von Marilu aus Andalusien. Wir freunden uns schnell an und beschließen die nächsten Etappen gen Westen gemeinsam im freien Verband zu segeln. Für uns ist das aus mehreren Gründen ein absoluter Glücksfall:
Wir genießen den äußerst netten Kontakt. Obwohl Marilu nicht Englisch und wir kaum Spanisch sprechen funktioniert die Kommunikation blendend. Nicky und Marilu kochen gerne gemeinsam, in Zukunft werden auch einige andalusische Gerichte unseren Speiseplan bereichern.
Johannes löst im Handumdrehen meine elektronischen Probleme bez. AIS und Boots-Wlan.
Wir lernen Starlink besser kennen und beschließen eines zu erwerben.
Außerdem kennt Johannes die Gegend wie seine Westentasche, seine Buchten- und Ankertipps sind großartig.

In der Cala Cerrada, ein kleine von Felsen eingefasste malerische Bucht kochen wir abends am Strand und auf dem Lagerfeuer eine gar köstliche Paella. Allerdings lässt uns der doch sehr hohe Schwell in der Nacht kräftig schaukeln. Dieser Schwell treibt auch unser Dinghi unter unsere Heckplattform, das dadurch einen 5 cm langen Riss bekommt und sogleich so traurig ausschaut wie ein seit Wochen ungefüllter Bierbauch. Macht nix, wir haben ja Kleber und Flicken dabei, aber der Kleber ist eingetrocknet, eh klar.

Vor dem Poniente, das ist der Westwind hier, verstecken wir uns in der weitläufigen Bucht vor Capo Cope. Der Spaziergang in das Dorf Calabardina ist nett. Wirklich spektakulär hingegen ist die kleine Wanderung über den Berghügel, der die Bucht einrahmt. Immerhin geht es über 4 Gipfel und kleinere Kletterpassagen. Für Marilu ist das überhaupt die erste Bergtour in ihrem Leben, sie erhält deshalb den Beinamen Cabra de Montagna (Bergziege, so etwas ähnliches wie eine Howagoaß).

Der Wind dreht auf Levante, also Ostwind, eine gute Gelegenheit um weiter nach Westen, nach Garrucha zu segeln. Garrucha ist ein gänzlich unaufgeregtes spanische Küstenstädtchen, wenig touristisch, jedoch mit einem kilometerlangen Sandstrand. Alles ist entspannt, die Bars gemütlich, das Preisniveau erstaunlich niedrig. Wir genießen die entspannte Atmosphäre. Nur die Verladestation von Mineralien am Hafen nervt. Den ganzen Tag fahren unablässig LKW in einer langen Kolonne zum Hafen und laden dort ihre Ladung ab, die sogleich in riesige Frachtschiffe verladen wird. Es staubt gewaltig, jeden Morgen sind die Boote unter einer dicken Staubschicht verborgen und das Cockpit gleicht einer Sandkiste. Den Kleber für unser Dinghi bekommen wir auch nicht. Wie gut, dass wir bei Wien den absolut kompetentesten Yachtausrüster haben, Maritimo. Markus schickt mir per DHL den richtigen Kleber und alles was wir sonst noch so brauchen an Marilus Adresse in Spanien, das klappt perfekt.

Nach zwei Tagen reicht uns das ewige Gestaube und wir ziehen weiter nach San Pedro. Obwohl eigentich gut geschützt schaukeln Wind und Welle so kräftig, dass wir einen Tag und zwei Nächte nicht das Boot verlassen wollen. Aber das hat auch seinen Vorteil: Durch das aufgewühlte Wasser sehen die Fische nicht, dass in dem leckeren Brotstück ein Angelhaken steckt. In weniger als 30 Minuten liegen 4 Zweibindenbrassen (Diplodus vulgaris) fertig ausgenommen und entschuppt für die Pfanne bereit. Schmecken so wie Goldbrassen, haben aber etwas mehr Gräten. Gemundet haben sie uns jedenfalls sehr, ebenso wie die patatas de povre, die Marilu dazu bereitet.

Endlich können wir zum Sightseeing aufbrechen: San Pedro ist ein verlassenes Fischerdorf, das nur zu Fuß oder per Boot zu erreichen ist. In den 70er Jahren haben sich hier Hippies niedergelassen und angefangen, das Dorf wieder aufzubauen, die Wasserquelle freizulegen und das Dorf wieder zu begrünen. Auf den ersten Blick ist es wirklich paradiesisch. Das Adams- bzw Evaskostüm prägt hier den Kleidungsstil, in den gepflegten Gärten blüht es wunderbar, es ist überall ausgesprochen sauber und Canabisduft zieht bisweilen in dicken Schwaden durch die Meeresbrise. Ob das Zusammenleben hier in einer Art Anarchie immer wirklich so friedlich und paradiesisch abläuft wie es auf den ersten Blick erscheint, ist jedoch fraglich. Wir beschließen das nicht weiter zu hinterfragen, sondern genießen diese wunderschöne Bucht und die Sonnenuntergänge zu den Klängen von Janis Joplin, Pink Floyd, Vulfpeck und karibischen Rhythmen.

Ein paar Meilen wartet in der Cale de Genovese ein schöner und geschützter Ankerplatz auf uns, sehr hip, jedoch gänzlich unhippie. Viele Motorboote, Jetskis, Massen an Menschen am Strand, landschaftlich jedoch sehr schön. Ein Spaziergang führt uns nach San Jose, eine sehr touristische Feriensiedlung. Marilu führt uns hier in die hohe Schule der andalusischen Tapaskultur ein. Es ist köstlich, noch können wir nicht ahnen, dass das noch bedeutend besser geht.

1988 war ich schon einmal beim Cabo del Gata, damals mit meinem lieben Freund Jac und am Moped. Schon damals hat mich die wilde, schroffe Küstenlandschaft fasziniert, das ist auch heute noch so. Leider können wir aber die Passage nicht entspannt genießen, weil wir machen einen Fehler in der Segelführung, soll heißen wir waren ganz furchtbar potschert: Bei einer Halse verwickelt sich das als Genua geführte Passatsegel um das Vorstag. Das kennen wir ja schon bestens, 1a Segelbedingungen und wir bemühen Mr. Perkins. Der angepeilte Ankerplatz knapp hinter dem Kap war dafür sehr schön und ruhig, trotz kräftiger Fallböen.

Am nächsten Morgen geht es weiter nach Aguadulce, wo wir insgesamt vier Tage in der Marina liegen. Das ist aus mehreren Gründen notwendig und praktisch: Marilu und Johannes wohnen im Nachbarort, unsere zahlreichen Bestellungen gehen an ihre Adresse. Wir haben Zeit das Dinghi zu kleben, den Wassermacher endgültig in Gang zu setzen (das Wasser ist köstlich! Wieder ein herzliches Dankeschön an Markus und seine Crew von Maritimo!), eine neue Antenne für unser AIS zu montieren und Starlink zu installieren. Außerdem naschen wir unsagbar gute Tapas und unternehmen einen Ausflug nach Granada. Aber davon später…