Was macht der Wind? Richtig, er bläst aus der falschen Richtung. Wir wollen in den Norden nach Nafplio, um von dort die antiken Städte Epidaurus und Mykene besichtigen und genau aus dieser Richtung pfeift es kräftig. GYPSEA liegt in Porto Heli gut und sicher vor Anker, da haben wir keine Bedenken sie stehen zu lassen und mit dem Mietauto die Gegend zu erkunden.
Nach ca 1,5 Stunden Fahrt über schöne Landstraßen mit prächtigem Panorama erreichen wir Epidauros, der bedeutensten antiken Kultstätte für den Heilgott Asklepios (auch Äskulap). Wie so häufig in der griechischen Mythologie ist auch die Familiengeschichte von Asklepeios nicht ganz konfliktfrei: Apollon persönlich zeugte ihn mit Koronis, die sich, obwohl bereits schwanger, mit einem Sterblichen einließ. Selbst ein untreuer Schwerenöter, war Apollon nicht frei von Eifersucht, ein bis heute typisches männliches Verhaltensmuster. Es ist jetzt nicht ganz klar wie es weiterging. Entweder tötete er Koronis selbst oder er ließ das von seiner Schwester Artemis erledigen, jedenfalls klassischer Femizid. Zufällig kam Hermes gerade vorbei, schnitt den ungeborenen Asklepios aus dem Mutterleib und brachte ihn zum heilkundigen Kentauren Cheiron, der das Kind in Heilkunde unterwies. Glück muss man halt haben.
In Epidaurus traf Heiligenverehrung auf Heilkunst und Unterhaltung, quasi Kombination aus Mariazell und Bad Ischl. Neben Heiligenverehrung und Kontemplation in Tempeln gab es, Entspannung in Thermen, Heilkunst durch Traumdeutung, echte Medizin, Sport, Geistesbildung und ein Theater mit 14.000(!) Sitzplätzen. Wohlhabende Kurgäste kamen aus der ganzen antiken Welt angereist. Für viele Religionen gab es entsprechende Kultstätten, den ägyptischen Tempel kann man noch heute bestaunen. Für mich ist unfassbar, wie man vor 2500 Jahren diese logistische Meisterleistung vollbringen konnte, einerseits den Aufbau dieser Kurstadt, andererseits die Unterbringung und Verpflegung der Gäste plus Gefolge.
Über ca. 900 Jahre wurde Asklepios in Epidaurus gehuldigt, ehe 426.n. Chr. die Anlage endgültig geschlossen wurde.
Mykene, von Perseus, Sohn des Zeus und der Danae, gegründet, Heimat von Agamemnon, Klytemnestra, Iphigenie , Elektra und Orestes, ist mythologisch schwer belastet.
Erste Nachweise der Besiedlung sind 5500 Jahre alt. Die größte Blütezeit war im 14. und 13. Jhd. v. Chr. Um 1350 v. Chr. wurde die Stadtmauer in zyklopischer Bauweise (sehr große, unregelmäßige Steine sorgfältig und beinahe fugenfrei aufeinander geschichtet, was nur von den riesigen Zyklopen bewerkstelligt werden konnte) errichtet. Das Löwentor in Mykene habe ich schon im Geschichtsbuch in der Schule bewundert. Heute stehe ich davor und staune über die tonnenschweren Zyklopensteine. Es ist schier unbegreiflich, wie die Menschen vor tausenden Jahren ohne Maschinenkraft Solches erschaffen konnten.
Natürlich kommt Nafplio auch in der Griechischen Mythologie vor und spielte im antiken Griechenland durchaus eine interessante Rolle. Um 200 v.Chr. wurde Nafplio allerdings verlassen und erst in byzantinischer Zeit neu gegründet. Aufgrund der strategischen Lage war Nafplio oft heiß umkämpft, wechselte wiederholt die Herrschaft und war nach der Unabhängigkeit Griechenlands von den Osmanen zweite Hauptstadt des modernen Griechenlands.
Uns empfängt Nafplio sehr sympatisch. Über der Stadt tront ein mächtiges Fort, von dem man eine prächtige Aussicht über die Stadt und die anschließende Bucht hat. Die Altstadt ist im Gegensatz zu Athen durchwegs im klassischen Stil. Nette Cafes, Bars und Tavernen laden zum Verweilen ein, Geschäfte mit einfallsreichen Souveniers säumen die Gassen in der autofreien Stadt. Der Hafen ist gegen Norden unzureichend geschützt und wir sind froh, dass unsere GYPSEA im sicheren Porto Heli liegt. Wir genießen wunderbare Souvlaki und fahren gut genährt zurück zu unserem Schifferl.