Lieber Gerd!

Wenn wir naturgemäß natürlich froh sind, dass die unausgesetzte weit über ein Jahrzehnt andauernde Belästigung durch Eure penetrante Nachbarschaft nun endlich ein Ende findet, wollen wir Euch ja deswegen doch nichts Böses, zumal Ihr ja wirklich weit weg gehen werdet. Und da wir uns doch ein wenig Sorgen um Euch machen (zugegebenermaßen hat sich wohl einen Art Stockholmsyndrom bei uns eingestellt durch diese Periode, in der wir von Euren Geschmack- und Kulturlosigkeiten heimgesucht wurden), da wir uns also deshalb nun doch Sorgen um Euch machen, da Ihr ausgerechnet das Meer als Element ausgesucht habt, dem Ihr Euch künftig anvertrauen werdet, solltet Ihr das nicht tun, ohne einen entsprechenden Schutz und Beistand, den vor allem Du lieber Gerd dringend brauchen wirst, wenn Du den wütenden Elementen hilflos ausgesetzt bist, was bei Deinen Segelkünsten nicht einmal allzu viel Windstärken brauchen dürfte.

Ich höre Dich bereits gegen den tosenden Lärm der entfesselnden Naturgewalten anschreien, in der höllischen Berg- und Talfahrt haushoher Wellen. „Heiliger Nikolaus, Schutzpatron der Seefahrer, bitte hilf uns! Ich will auch nie wieder unflätige Worte gegen Freunde und Nachbarn verwenden, kaum noch Alkohol trinken, kein fettiges Zeugs mehr essen, abnehmen und nie wieder blöde blasphemische Witze gegen die Kirche reißen!“ Dann wird es sicher nötig sein, dass Du ein Bildnis des nämlichen Heiligen bei Dir hast, das Deinem, dergestalt behaupteten Glauben wenigsten ein Minimum an Glaubwürdigkeit verleiht.

Ich hätte sogar ein Foto von Dir als Nikolaus verfügbar gehabt. Aber Dein dilettantischer und auch etwas peinlicher Versuch, den großen Heiligen darzustellen, könnte von der göttlichen Instanz leicht als weitere ironisch-satirische Blasphemie ausgelegt werden, was womöglich neben dem Zorn der Elemente noch den Gottes und des betreffenden Heiligen eingetragen und damit Euren Untergang besiegeln könnte. Gottseidank hast Du ja fast ausschließlich Erwachsene mit derlei Darbietungen beglückt, bei Kindern hätte das womöglich schweren psychischen Schaden verursachen können.

Aus diesem Grund habe ich mich in meiner unendlichen Großzügigkeit dazu entschlossen, Dir – völlig kostenfrei, ohne kleinlich die damit üblicherweise nicht unbedeutenden Tantiemen zu berechnen – ein Bildnis des heiligen Nikolaus, in der Darstellung eines begnadeten, am weltberühmten Max-Reinhardt-Seminar ausgebildeten Schauspielers zur Verfügung zu stellen, das zweifelsfrei mit Wohlgefallen von den göttlichen Heerscharen zur Kenntnis genommen wird, sie entsprechend milde stimmen und Deinem potscherten Leben weitere Jahre und Jahrzehnte Verlängerung bescheren wird, trotz Deiner Besserungslügen, denen die sowieso keinen Glauben schenken werden.

In diesem Sinne wünsche ich – und ich spreche da sicher im Namen meiner ganzen Familie, die Euch so viele Jahre mit Gleichmut ertragen hat – ein herzliches Ahoi auf Eurem Kreuzweg, will sagen Kreuzfahrt, in eine strahlende Zukunft voller Sonnenschein uns Frischfisch.