Im Gegensatz zum Autostoppen bietet Hitchhiking einen entscheidenden Vorteil, es funktioniert auch am Wasser. Für beide Arten des Reisens per Anhalter gilt, dass man eine passende Mitfahrgelegenheit meist dort bekommt, wo viele Reisende mit ihrem eigenen Fahrzeug anhalten. Autobahnraststätten zum Beispiel. Wenn Du über den Atlantik möchtest suchst Du Dir aber besser einen Hafen mit vielen Atlantik-Cruisern, Las Palmas zum Beispiel. Hier ist ein echter Trans- Atlantic- Hitchhiker- Hotspot.
Kaum haben wir unser Dinghi am Dinghisteg der Marina vertäut, werden wir schon von einer bunten Gruppe junger Menschen umringt, alle wollen sie über den Atlantik. „Are you crossing, do you have space on your boat for me“ ist der von uns meist gehörte Satz in unserer Zeit hier in Las Palmas. Das genaue Ziel ist dabei nicht so wichtig, Hauptsache rüber über den Teich, gerne auch mit einem Stopp auf den Kap Verden. Bei uns haben sie alle leider Pech, wir fahren ja erst in ein paar Monaten los.
Die Hitchhiker sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen von meist jungen Menschen in ihren Zwanzigern, aber so mancher ist mit 50+ auch dabei. Rund 70% sind Franzosen, gefolgt von Briten, Schweden, Deutschen, Schweizern, Italienern, beiderlei Geschlechts allerdings mit einem deutlichen Burschenüberschuß. Punks uns Alternative sind genau so darunter wie junge Akademiker, die etwas Geld verdient haben und bevor sie voll in die Arbeitswelt eintauchen noch ein Abenteuer erleben wollen, abseits des mainstream Flugtourismus.
Die Konkurrenz ist groß, also lässt sich jeder was einfallen um sich anzupreisen. Flugzettel werden verteilt, manche behängen sich mit selbstgemalten Werbeschildern aus Karton, es gibt Transparente oder ideenreiche Gesangsdarbietungen. Am Ankerfeld kommen einige mit Paddelbooten vorbei und bandeln an, oder sie schwimmen von Boot zu Boot.
Abends treffen sich alle in der Sailors Bar und berichten von ihren meist erfolglosen Bemühungen. Man gibt sich Tipps und steht sich gegenseitig bei. Uns beeindruckt diese Gemeinschaft und der Zusammenhalt.
Da wir drei Wochen in Las Palmas bleiben und das mit dem Boots-Hitchhiking nicht so rasch funktioniert wie auf der Autobahnraststätte, lernen wir einige Hitchies besser kennen.
Da ist das punkige Pärchen, das auf der Santa Maria, einem Forschungsschiff, anheuert und dort als Crew sogar bezahlt wird. Allerdings müssen sie sich für 3 Monate verpflichten und es gibt einen Schlafraum für Mädels und einen für Burschen.
Da ist der sehr jung ausschauende Deutsch-Bulgare, der abends am Strand offensichtlich sehr gut Gitarre spielt und von Date zu Date huscht.
Da ist die Schwedin, die mit Ihren 22 Jahren sich ihren größten Traum erfüllen möchte, einmal mit dem Segelboot über den Atlantik. Viele Angebote von Soloseglern und reinen Männercrews lehnt sie ab, bis sie endlich eine gemischte Crew mit Profiskipper findet.
Da ist der Brasilianer, der seiner europäischen Freundin seine Heimat zeigen möchte.
Da sind die zwei deutschen Burschen, die 1000,- Euro für die Passage zahlen wollen, aber auch nicht rascher wegkommen als die anderen.
Da ist der Schweizer, der mit dem Fahrrad unterwegs ist und lieber Kamillentee als Bier trinkt. Sein Hobby ist die Highline (also die Slackline in Höhen über 15m).
Da ist Lucien, der am Ankerplatz schwimmend an unser Boot klopft. Wir freunden uns an und einige Tage später unterstützt er uns heldenhaft beim Dinghi Race. Auf seinem Plakat prangt ein Segelschiff, es schaut fast so aus wie GYPSEA, kein Zufall!
Da ist Pierre, der hochqualifizierte Techniker. Sein unlängst verstorbener Vater hat ihm die Liebe zum Segeln geschenkt. Die Fahrt über den Atlantik widmet er seinem Andenken.
Marco, ein sehr sympathischer Italiener aus Palermo braucht Meilen für seine Offshore-Lizence. Durch unsere Vermittlung findet er einen Platz auf einem australischen Katamaran mit einer entzückenden Jungfamilie und zwei weiteren Hitchhikern aus Frankreich, die seit Gibraltar an Bord sind.
Und dann sind da noch Mahon und Clarisse, die zwei liebenswerten Französinnen, die Ihr Lied singen, wenn man „Pirates“ sagt.
…und, und, und…
Selbst wenn es manchmal ein bissl dauert, irgendwann finden alle ein passendes Boot. Wir wünschen Euch allen einen achtsamen Skipper, einen schöne Überfahrt und immer Fair Winds!
