Es ist Anfang November und auch auf den Kanaren hält der Herbst Einzug. Der Temperatursturz ist dermaßen dramatisch, dass wir unsere Kleidungsgewohnheiten umstellen müssen. Abends nehmen wir jetzt doch auch manchmal ein Jackerl mit und beim Schlafen decken wir uns jetzt regelmäßig mit einem Leintuch zu.
Tatsächlich kündigt sich eine geänderte Wettersituation an. Eine neuerliche Südströmung verspricht unangenehmen Schwell in den Ankerbuchten. Danach schickt ein mächtiges Tief vor England starke Wellen aus N-NW, was den Seeraum ungemütlich werden lässt. Wie gut, dass wir unser feines Ankerplatzerl im sichern Hafen von Las Palmas haben und hier wollen wir auch die nächsten Wochen bleiben. Johannes mit seiner ALU BABA ankert einen Steinwurf von uns entfernt. Er muss seinen Motor tauschen und wird deshalb hier einen längeren Servicestopp einlegen, bevor er in die Karibik weitersegelt.
Las Palmas ist am ersten Blick eine moderne und eher schmucklose Hafenstadt. Aber beim zweiten Blick erkennt man seine Reize. Die historische Altstadt ist klein aber fein. In der Casa de Colon ist schon, man kann es kaum erraten, Kolumbus abgestiegen. Im Museum bestaunen wir die Routen der ersten Amerikafahrer und ihren Mut auf diesen vergleichsweise lächerlich kleinen Schiffen, ohne Wetterbericht, Landkarten und GPS ins Unbekannte aufzubrechen.
Die Neustadt weiter im Norden wird auf der Ostseite vom Hafen begrenzt, im Westen von einem kilometerlangen Sandstrand mit zugehöriger Promenade gesäumt. Hier reiht sich ein Lokal an das andere. An manchen Tagen rollen die Wellen brechend bis an den Strand. Ist das Meer hingegen ruhig und die Sonne scheint, werden Strand und Strandpromenade von Tausenden Menschen bevölkert. Gerne nehmen wir hier ein Getränk und schauen den atletischen jungen Herren und Damen beim Beachvolleyball zu.
Die alte Markthalle wurde zur Gastro-Halle umfunktioniert, wir kennen das ja vom Naschmarkt. Gerne schauen wir bei Hassan vorbei, der köstliche levantinische Speisen anbietet, inkl marokkanischem Minzetee. Aber noch lieber.gehen wir zum Kubaner mit seiner karaibisch-kreolischen Küche, noch dazu äußerst preiswert.
Abends treffen sich alle Segler bei der Marina in der Sailors Bar. Hier sind die Speisen und Getränke zwar nicht von besonderer Qualität (der Kaffee ist sogar noch dünner als im Landtmann), dafür blickt das Personal immer grimmig und ist unfreundlich. Aber da es die einzige Bar in der Gegend ist trifft man sich trotzdem hier. Und als Wiener ist einem dieses System sowieso vertraut, bald fühlen wir uns wie zu Hause.
In der Sailors Bar lernen wir viele interessante Menschen aus aller Welt kennen. Ganz besonders haben wir Gabriel in unser Herz geschlossen. Gabriel ist Ende 70, Israeli und fährt seit vielen Jahren auf der ELIDA mit, einem christlichen Schulschiff aus Schweden. Seine spitzbübische Art, seine blitzenden Augen und sein Beitrag zur Völkerverständigung gefallen uns sehr.
Las Palmas bietet im November noch etwas Spezielles, den Start der ARC, der Atlantic Ralley for Cruisers. Die ARC ist nicht unsere Welt, es ist eine Klasse für sich mit hohen Eintrittspreisen. Auch haben wir das Gefühl, dass die ARC-Teilnehmer auf ihren Luxusrennyachten auf uns „gewöhnliche“ Segler gerne herabschauen. Aber wie immer bestätigen die Ausnahmen die Regeln, unsere Freunde von der Cattiba fahren da ja auch mit und wir wollen sie würdig verabschieden.
Eine Veranstaltung im Rahmenprogramm der ARC ist das allseits beliebte Dinghi-Race, bei dem es weniger darauf ankommt als erster die Ziellinie zu überfahren sondern in bunten Klamotten die Konkurrenten möglichst Nasszuspritzen und aus dem Weg zu schubsen. Nicht ARC Teilnehmer dürfen auch daran teilnehmen, da sind wir natürlich dabei. Als wir, also Johannes, Lucien (einer von den Hitchhikern), Nicky und ich nach unseren Möglichkeiten verkleidet beim Startpunkt ankommen müssen wir feststellen, dass zuerst noch die Eröffnungsparade samt Ansprachen stattfindet. Wie bei den Olympischen Spielen werden die Nationalflaggen von Vertretern der jeweiligen Teilnehmerländer durch den Hafen getragen und anschließend feierlich gehisst. Und nun passiert das Erstaunliche: da gerade keine östereichischen ARCler anwesend sind schnappt Nicky, diese alte Anarchistin, die jegliche Nationalsymbolik ablehnt, die Österreichische Flagge und trägt diese so stolz wie ein Dackel seine Knackwurst. Dass sie dabei die Dinghi-Race Sicherheitsausrüstung, einen knallgrüner Schwimmreifenfrosch, trägt gibt da noch eine spezielle Note.
Beim Dinghi-Race landen wir schließlich unter den besten 90%, Sieger der Herzen wird übrigens das Boot, das sich knapp vor dem Ziel noch selbst versenkt.
Nicky lässt mich nach über 30 Beziehungsjahren noch einmal erstaunen, ich entdecke noch immer Neues an ihr: Unter Johannes fachkundiger Anleitung beginnt sie auf der Nähmaschine Abdeckhauben für unsere Winschen zu schneidern, wer hätte das gedacht.
