Barbara und Antonio kennen wir noch aus unserer Zeit in der Marina von San Giorgio in Italien. Ihr altes, aber wundervoll renoviertes Motorboot lag unweit von unserer GYPSEA. Gemeinsam mit ihrem Hund beobachteten sie uns durchaus amüsiert, wie wir Tonnen an Klumpert und Schrott aus unserem Boot räumten. Wir kamen ins Gespräch und eine Freundschaft entwickelte sich.

Nicht zuletzt wegen der großartigen Servicequalität in San Giorgio haben auch Barbara und Antonio der Marina den Rücken gekehrt und sind samt Boot ausgewandert und zwar nach Lefkada, wo wir sie besuchen wollen.

Das Wiedersehen ist warm und herzlich. Eigentlich wollten wir einige Tage gemeinsam auf unseren Booten verbringen, aber das Wetter ist nicht danach. Stattdessen führen uns unsere Freunde mit dem Auto durch wunderschöne Landschaften zu spektakulären Aussichtspunkten und Buchten. Auch kulinarisch erleben wir Höhepunkte. Erstens kennen sie ausgezeichnete Tavernen, zweitens ist Antonio ein hervorragender Koch. Selten so gut italienisch gegessen wie in Griechenland!

Von Lefkada Stadt wollen wir nach Vasiliki am Südende von Lefkada fahren und zwar nicht über die geschützte Ostseite sondern die wilde, oftmals wellengepeitschte und beeindruckende Westküste mit den hoch aufragenden weißen Klippen und den langen Sanstränden, die, sofern nicht mit einer Straße erschlossen, menschenleer sind. Wir waren schon 3 mal in der Gegend und kennen auch die tollen Strände vom Land aus, aber mit unseren kleinen Bötchen haben wir uns nie an die Westküste getraut. Mit GYPSEA sollte das jedoch kein Problem sein.

Wir warten auf einen Tag mit gutem NW-Wind, passieren die berühmte Drehbrücke in Lefkada, motoren vorbei an der mittelalterlichen Festung, drehen nach Süden und schalten zum Segelsetzen den Giovanni (vulgo Autopilot) ein. Doch der brummt nur was unverständliches vor sich hin und ist nicht bereit, auch nur ansatzweise den Kurs zu halten. Ein Blick unter die Matratze von unserem Bett (dort wohnt nämlich der Giovanni) schenkt Erleuchtung: der Druckzylinder, der das Ruder dreht, ist undicht, statt Druck aufzubauen tröpfelt das Hydrauliköl munter in die Bilge.

Im rasch einberufenen Krisenrat beschließen wir einen nördlichen Kurs einzuschlagen und nach Preveza zu motoren. Dort gibt es riesige Marinas, demnach auch Yachtservice und wahrscheinlich auch Hilfe für uns. Psychlogisch interessant: Im Gegensatz zu unserer Panne bei Dubrovnik regt uns diese Geschichte nicht mehr auf, sondern wir nehmen diese Tatsache mit stoischer Ruhe und Gelassenheit auf. Offensichtlich sind wir doch am richtigen Weg zu echten Yachties.

Preveza empfängt uns freundlich. Wir ergattern einen günstigen Platz am Stadtkai, der nicht nur etwas abgelegen vom Trubel liegt, sondern sogar über eine eigene Muring verfügt, in Griechenland keine Selbstverständlichkeit. Der Hafen bietet noch eine weitere Attraktion: 2x täglich kommt eine riesige Kartett-Schildkröte, Warren, vorbei und nagt Leckerbissen von der Kaimauer.

Trotz Tourismus und Charterflotten stellt sich uns Preveza als belebte und bunte typisch griechische Stadt vor. Es gibt keine besonderen Sehenswürdigkeiten und zwei Quergassen hinter der Hafenpromenade triffst Du nur in Ausnahmefällen auf Nichtgriechen. Wir genießen die unaufgeregte Gelassenheit.

Die Marina empfiehlt uns einen Mechaniker, Panos, einen in Deutschland aufgewachsenen und ausgebildeten Griechen, offensichtlich ein Glückstreffer, aber das wissen wir noch nicht. Telefonisch vereinbaren wir einen Termin „Morgen in der Früh“. Das kennen wir doch schon aus Izola und Griechenland ist noch viel tiefer am Balkan. Und dann kommst Du zu dem Punkt wo sich Deine gesamte Lebenserfahrung und Dein Blick auf die Welt komplett zu drehen anfangen, wie ein Ahornsamen, der vom Baum fällt. Das ist so, wie wenn Du von einer Horde Punks am Abend verfolgt wirst und Du als Atheist schon heimlich Kreuzzeichen schlägst und der Film vor Deinem inneren Auge anfangt zu laufen und dann hält Dich der Oberpunk mit dem größten und rotesten Irokesen an der Schulter und sagt „Heast Oida, des Geldbörsl is da aussegfalln, da hast das wieder“ und Dein gesamter Argwohn in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus.

Wir erwarten also eine Morgentermin irgendwann am späteren Nachmittag, aber Panos steht tatsächlich exakt um 8:30 auf unserem Boot, wir hingegen haben noch nicht einmal Zähne geputzt.

Er bestätigt meinen Verdacht mit der Undichtheit am Druckzylinder, kann diesen Fehler aber selbst nicht reparieren, da muss ein Spezialist ran und der ist erstens in Athen und außerdem ist Ferragosta, auch in Griechenland und da sind alle auf Urlaub. Da wir sowieso nach Athen wollen beschließen wir, ohne Giovanni zu segeln und ihn selbst in Athen beim Spezialisten Anfang September abzuliefern.

Panos repariert dafür die letzte kleine Undichtheit an der Dieselpumpe (Gewinde war verschmutzt) und organisiert die Reparatur von unserem zweiten Kühlschrank.

Nach zwei Nächten brechen wir Richtung Vasiliki auf, diesmal wie gesagt ohne Giovanni und auch ohne Wind. Der gefürchtete Seegang vor den Klippen ist einer spiegelglatten See gewichen. Wir lassen die Segel eingerollt und bemühen den braven Mr. Perkins.

Die Kulisse ist erwartungsgemäß beeindruckend. Wir runden den berühmten Lefkadischen Felsen, von dem sich Sappho einst aus Liebeskummer in die Tiefe und den Tod stürzte. Kaum um das Kap herum bläst uns der Wind ordentlich ins Gesicht. Wir hissen Genua und Besan und sausen mit bis zu 7kn Richtung Vasiliki.

Melancholisch kommen Erinnerungen. 2009 waren wir mit der kleinen Johanna und dem noch kleineren Seppi hier mit dem Schlauchboot unterwegs. Der wunderbare Campingplatz von einst ist mittlerweile einer Luxusanlage gewichen, schade.

Aus dieser Zeit kennen wir auch Birgit und Karli. Karli, der von sich nur als „der Herr Karl aus Wien spricht“ ist beinahe Lehrer im Ruhestand und seinen Angaben zufolge der bei weitem netteste Wiener zwischen Vasiliki und Nebraska. Trotz zunehmender Demenz und Gebrechlichkeit wird er hingebungsvoll von seiner Frau Birgit gepflegt und versorgt, was ihr, gut informierten Kreisen zufolge, den Beinahmen Mutter Theresa eingebracht hat.

Birgit und Karli haben sich in Vasiliki eine feines Ferienhaus gebaut, mit freiem Blick von der Terrasse aufs Meer. Selbstverständlich liegt im Hafen das dazu passende, leicht übermotorisierte Schlauchboot. Da wollen wir doch gleich ein paar Tage bleiben. So unternehmen wir nach ausgiebigen Frühstücken mit dem Schlauchboot Ausflüge in die umliegenden Buchten.

Schön war’s, danke Birgit und Karli!