Calle Galdana, 6 Uhr morgens. Gestern haben wir uns von Doris und Mike verabschiedet, heute versuchen wir die Überfahrt nach Mallorca. OK, das ist keine große Herausforderung, ca 25 sm, gute Segelbedingungen 15-20kn am Wind und querab. Das sollte doch eigentlich gut gehen.

Und das tut es auch. Trotz gereffter Segel sind wir mit guter Geschwindigkeit unterwegs. Aber der Wind dreht, wir wollen wenden. Wenn wir wenden oder halsen, müssen wir die Genua aufrollen, da das 2. Vorstak so knapp hinter dem 1. montiert ist, dass die Genua nicht einfach geshifftet werden kann. Ich rolle also die Genua ein und ziehe dabei die Reffleine aus der Refftrommel. Keine Ahnung wie das passieren kann, wahrscheinlich war ein Klabauter kurz am Boot. Dieser Schaden ist keine große Sache, das ist in 15 Min. wieder fixiert, aber nicht bei Wellen mitten am Meer, da verschwinden die Schrauben schneller in Neptuns Reich als eine Knackwurst im Dackel.

Macht ja nichts, wozu haben wir eine Fock. Diese ist aber zu klein für diese Windverhältnisse um uns kräftig durch die Wellen zu ziehen. Also muss wieder Mr. Perkins her. Wir motorsegeln bei besten Segelbedingungen, das ist doch wirklich verflixt!

Unser Ziel ist Cale Rajada, dort wollen wir 2 Tage in der Marina an den Steg, Wasser und Sprit bunkern, sowie Wäsche waschen, was wirklich schon schwer notwendig ist. Das mit der Marina funktioniert auch prächtig. Was uns aber nicht bewusst ist, Dieter Bohlen hatte hier angeblich ein Anwesen und das hat offenbar auf das Publikum abgefärbt. Es ist laut und deutsch, sehr deutsch, Alpensaga auf mallorqinisch. Neben uns parkt ein riesiges Motorboot ein, der Mann , der offensichtlich das Geld hat, erinnert uns an den gefallenen ex-Schlagerstar Jerome aus dem Film „Keinohrhase“. Kaum angelegt dröhnt die Musik laut aus den Boxen, die Korken fliegen, es wird gegröhlt, Malle eben.

Ich entdecke komplett neue Züge an mir. Dass ich einmal auf Etikette Wert legen würde und Dresscode! Das kam so: Mal was anderes, meinen wir, als wir beim Inder Platz nehmen und ein saftiges Curry bestellen. Kaum steht das Essen am Tisch drückt mir eine Dame ihr sehr spärlich bekleidetes Hinterteil mitten ins Gesicht. Was am FKK Campingplatz selbstverständlich ist, dass man bekleidet ins Restaurant geht, gilt hier offenbar nicht. Elisabeth T. Spira hätte hier große Freude gehabt. Die Folge von den Alltagsgeschichten mit dem Titel „Vom Schönheitsdoktor verpfuscht – die größten Hoppalas der plastischen Chirurgie“ hätte sie hier an einem Vormittag in einem Lokal ihrer Wahl leicht abdrehen können.

Aber Cale Rajada hat auch seine schönen Seiten: die Lokale in den hinteren Reihen, wo sich die Einheimischen treffen, die fabelhafte Küste, der Mercadona und nicht zu vergessen der Schweizer, der auf der Mauer des Wellenbrecher gefühlvoll sein Alphorn in den Sonnenuntergang bläst.

Boot und Wäsche sind gewaschen, der Mercadona geplündert, der Weinkeller aufgefüllt, Zeit zum Aufbrechen. Das nächste Ziel heißt Port de Pollenca, knapp vor dem Cap Formentor. Dort wollen wir Claudia und Boris wiedertreffen, die wir in Carloforte kennengelernt und in Mahon wiedergetroffen haben. Die zwei leben zwar am Segelboot, zählen aber noch immer zur arbeitenden Klasse. Claudia arbeitet remote als Graphikerin, Boris unterrichtet Segeln, Surfen, Kiten und alles was mit Wassersport zu tun hat während der Sommermonate in Pollenca.

Am Weg zu Ihnen müssen wir aber noch kurz hinter Cap de Freu den Anker werfen, es ist einfach zu schön hier. Wir haben Glück mit dem Wetter, zum Segeln ist es zwar nichts, weil absolut kein Wind geht, dafür liegen wir vor der offenen Küste im absolut ruhigen Meer vor einer beeindruckenden Kulisse.

Am nächsten Tag mittags erwacht dann schließlich der Wind und wir segeln mit dem Parasailor bis direkt nach Pollenca. Hier verbringen wir nicht nur 2 sehr nette Abende mit Claudia und Boris, sondern mieten auch einen Mini, mit dem wir die Insel erkunden und alte Erinnerungen auffrischen. Die kurvenreichen Straßen durch die Tramontana, der unglaublich verwundenen Straße mit der 270° Kurve in die Cale de Sa Calobra, Deia, Valdemossa und natürlich Mercadona.

Den Mistral wollen wir nutzen, um um das berühmt berüchtigte Cap Formentor zu segeln, anschließend wollen wir in der C. de Sa Calobra ankern. Seit meinem ersten Besuch auf Mallorca wünsche ich mir das und gestern haben wir uns das vom Land aus angeschaut. Wenn nicht zu viele Boote in der Bucht stehen, sollte das gehen. Dafür müssen wir zuerst gegen Wind und Welle kreuzen. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren nehmen wir den Motor dazu. Um das Cap Formentor segeln wir dann ohne Motorunterstützung, ein erhabener Moment. Viele Legenden ranken sich um diesen oftmals von der Brandung umtosten imposanten Felsen, wir segeln bei geringem Seegang gemütlich vorbei. Ein wenig später ergattern wir in der Calobra ein feines Ankerplatzerl.

Unser Weg führt uns weiter nach Port de Soller, wo wir 2 Nächte ankern, die Crew der SY Bärbel aus der Schweiz kennenlernen und einen Ausflug mit der historischen Tram nach Soller unternehmen Eine Nacht verbringen wir in der landschaftlich wunderschönen aber rolligen Bucht Cova de Sa Sal vor dem berühmten Elefantenfelsen. Das Wetter schlägt um, es gibt Warnungen vor Wellen und Sturm. Wir suchen Schutz in San Elm an einer sündteuren Boje. Zum Glück verläuft die Nacht sehr ruhig, es regnet kurz und der Wind hält sich hier in Grenzen. Das Geld für die Boje hätten wir uns sparen können, aber im Nachhinein ist man immer klüger. Heute haben wir einen Ankerplatz gleich neben der Boje ergattert, der kostet nichts. Hier bereiten wir uns auf die morgige Überfahrt nach Ibiza vor, wir wollen das erste Mal unser Passatsegel ausprobieren.