Martina ist abgereist, dafür kommt unsere Tochter Johanna an Bord. Es ist wunderbar, sein Kind nach mehreren Wochen wieder in die Arme zu schließen, das kann halt Videotelefonie nicht ersetzen.

Den ersten Tag verbringen wir gemeinsam in Dubrovnik, dann brechen wir nach Montenegro auf. So wie fast immer wenn wir segeln wollen, lässt uns der Wind bald im Stich. Also motoren wir ein schönes Stück zur und in die Bucht von Kotor. In Tivat klarieren wir ein, was problemlos funktioniert. Dann knacken wir eine Flasche Prosecco und stoßen auf das erste Land auf unserer Reise an, in dem wir noch nie waren.

Tivat ist ein Ort, der quasi um die Marina Port Montenegro neu errichtet wurde. Seelenlose Hotelkomplexe der Luxuskategorie reihen sich aneinander, ebenso Shops von Luxusmarken von Mode über Schmuck und Uhren. Der Pier wird über hunderte Meter von Superyachten belegt. Die Damen präsentieren stolz die neueste Apres-Bademode und ihre neuesten Eingriffe der plastischen Chirurgie. Die Herren stellen lässig ihren Balkan-Macho-Style zur Schau. Das ist nicht der Platz unserer Träume, wir ziehen nach einer Nacht weiter durch die landschaftlich atemberaubende Bucht nach Kotor.

Da wir vor den heftigen Fallwinden Respekt haben und wir doch auch längere Zeit das Boot verlassen wollen, nehmen wir einen Platz in einer kleinen privaten und sehr freundlichen Marina. Gemeinsam mit Johanna erkunden wir Kotor und Umgebung, erklimmen in den noch kühleren Morgenstunden die alten Befestigungsanlagen hoch über der Stadt und genießen die gemeinsame Zeit. Kotor ist absolut zauberhaft und zurecht UNESCO-Weltkulturerbe. Die Woche verfliegt, viel zu früh müssen wir Jojo zum Busbahnhof bringen. Schon wieder ein Abschied der unter die Haut geht, aber hoffentlich kommt Jojo im Oktober wieder zu uns.

Das Wasser in unserer kleinen Marina stinkt zwar des nächtens intensiv nach Kanal, dafür liegt GYPSEA 100% sicher und wir können sie auf längere Zeit verlassen. Mit einem Mietauto wollen wir eine Runde durch Montenegro ziehen. Beim Kaffee in einem lauschigen Lokal fragen wir unsere Kellnerin, Sara, ob sie uns ein Car Rental empfehlen könne. Das ist einfach, sagt sie, der Chef vom Lokal vermietet auch Autos. Dann stellt sie noch Routenvorschläge zusammen und vermittelt uns den Kontakt zu einem Bootstouranbieter am Skadarsko See. Durchs reden kommen halt die Leute zusammen.

Die Straße nach Budva ist hässlich und verstopft. Dann öffnet sich vor uns der Blick auf die Bucht von Budva und wir begreifen in der Sekunde, dass wir da nicht hinwollen. Die Altstadt von Budva liegt auf einer kleinen Halbinsel, die von riesigen Hochhausferiensiedlungen eingerahmt ist. Auf den Straßen herrscht ein unglaublicher Rummel. Wir fahren also gleich weiter, verlassen aber die Hauptstraße, um über eine Nebenstraße einen kräftigen Abschneider zu machen. Noch wissen wir nicht, wie klein, eng und schlecht asphaltiert Nebenstraßen in Montenegro sind. Dafür gibt es atemberaubende Steigungen und natürlich Gegenverkehr. Doch die Mühen zahlen sich aus, die Landschaft ist phantastisch, wild und abwechslungsreich. Leider liegt ein ätzender Rauch in der Luft, zahlreiche Hügel brennen, es hat seit Monaten kaum geregnet und die Feuer entzünden sich mittlerweile spontan.

Wir kommen gerade rechtzeitig zu unserer Tour am Skadarsko Jezero an. Wir wollten eigentlich eine mehrstündige Tour buchen, aber leider sind alle Boote bereits vermietet. Da wir nicht wirklich wissen was uns bevor steht, sind wir mit einer einstündigen Fahrt einverstanden, bereuen das aber bald. Wir werden durch eine herrliche Seen und Sumpflandschaft geführt, die von Millionen von Vögeln besiedelt wird und an manchen Stellen an die Halong-Bucht in Vietnam erinnert. Unsere Führerin und der Bootsfahrer sind ausgesprochen nett. Nach einer Stunde stehen wir leider wieder am Ufer. Von Hunger und Durst getrieben besuchen wir ein nahes Gasthaus.

Bald erreicht uns ein Telefonanruf. Die Tour nach unserer ist ausgefallen und wir könnten weil es uns so gut gefallen hat eine Sunset-Tour machen, zum halben Preis. Wir sagen spontan zu, reservieren noch über Booking ein Quartier in einem nahegelegenen Camp um €18,- die Nacht und steigen wieder aufs Boot. Die Tour wird wunderschön und romantisch, schwimmen im Sonnenuntergang inklusive.

In der Dunkelheit ist unser Camp „Sunny Hills“ nicht ganz leicht zu finden. Zuerst fahren wir wieder über so enge Nebenstraßen um in einen noch engeren Schotterweg einzubiegen. Aber bald stehen wir vor einem klitzekleinen paradiesischen Campingplatz mit Kühen, Schweinen, Ziegen, Henderln und einer sehr sympatischen Gastgeberfamilie. Im Apfelbaumgarten steht unser Holzzelt, in dem wir eine herrlich kühle Nacht verbringen und tief schlafen. Das Frühstück ist so reichhaltig, dass wir es beim besten Willen nicht schaffen.

Eigentlich wollen wir in einen Nationalpark nördlich von Niksic, aber der Weg dorthin ist doch zu weit. Deshalb wird es Kultur: Das Kloster Ostrog wurde in eine Höhle hoch oben in den Bergen gebaut. Die unzugängliche Lage sollte vor Plünderungen schützen. Heute ist Ostrog so was wie Mariazell bei uns. Die Anreise ist landschaftlich sehr schön. Vom Parkplatz muss man noch einen ca 1 km langen steilen Fußweg überwinden. Die Szene im Kloster ist einem Wallfahrtsort würdig. Gesittet und mit frommen Gesichtern stehen bereits in der Früh die Pilger stundenlang in einer Reihe an, um in die Kirche eingelassen zu werden. Nach dem Motto „Gott kann alles, weiß alles, sieht alles, ist aber fürchterlich schlecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten und braucht ständig Geld“ werden in zahlreichen Shops Ikonen und andere religiöse Devotionalien zu beinahe nicht stark überhöhten Preisen verkauft. Da wir uns nicht in die Reihe der stundenlang wartenden Pilger einreihen möchten, verlassen wir wieder bald diesen heiligen Ort.

Mit zahlreichen weiteren Stopps an landschaftlich eindrucksvollen Aussichtspunkten treten wir unseren Rückweg nach Kotor an.

Fazit: Montenegro ist bei uns relativ unbekannt – zu unrecht. Wir haben ein sehr schönes und abwechslungsreiches Land mit sehr freundlichen und hilfsbereiten Menschen kennengelernt. Bis auf einige wenige Zentren ist Montenegro noch nicht vom Massentourismus überlaufen und zerstört. Eine klare Reiseempfehlung für Individualtouristen von uns.