Der Wecker läutet um Punkt 00:00 und reißt uns aus einem kurzen tiefen Schlaf. Lange sind wir wach in der Koje gelegen und haben keine Ruhe gefunden. Die Gedanken kreisten immer um die selben Fragen: haben wir alles korrekt vorbereitet? Sind alle Segel einsatzbereit? Wird der Wetterbericht halten? Was müssen wir vor der Abfahrt noch alles tun? Ist die Checkliste vollständig, oder haben wir einen Punkt vergessen?….

Endlich übermannt uns der Schlaf doch und dann gleich darauf läutet der Wecker. Tagwache um Punkt 00:00. Es ist eine sternenklare Nacht, der Mond wird noch ca. 2 Stunden hell scheinen. In der Ankerbucht ist kein Windhauch zu spüren. Etwas weiter draußen am Meer und in ein paar Stunden soll er aber sanft blasen, sagt der Wetterbericht.

Wir machen noch schnell 2 Thermoskannen Tee, dann wird der Anker gelichtet: Abfahrt von einer Bucht im Süden von Carloforte/Sardinien nach Menorca. Wenn alles glatt geht werden wir ca 40 Stunden brauchen.

Der Mond weist uns den Kurs, wir fahren genau in seinem Lichtkegel. Das ist praktisch, wir sehen die Wellen und würden auch ein unbeleuchtetes Fischerboot rechtzeitig erkennen, wenn es eines gäbe. Tatsächlich werden wir auf der gesamten Überfahrt kaum einem Schiff begegnen und wenn dann in weiter Entfernung. Dann geht der Mond unter und rund um uns ist tiefschwarze Nacht. Aber das Meer ist gnädig und ruhig, Mr. Perkins schiebt uns verlässlich in den Sonnenaufgang. Etwas später als prognostiziert kommt der Wind, fein, gleichmäßig und achterlich, genau so wollen wir das. Mr. Perkins darf ruhen, dafür wird die Genua ausgebaumt, segeln wie aus dem Lehrbuch. Die Überfahrt von Sardinien nach Menorca verläuft unspektakulär, wenn auch die Wellen manchmal nerven, die das Boot bisweilen ziemlich rollen lassen, meistens ganz besonders, wenn ein Teller mit Leckereien am Cockpittisch steht. Ganz ohne Zwischenfall geht es aber natürlich nicht: Als der Wind einmal nachlässt ziehen wir unseren guten alten Gennaker auf und genießen das ruhige segeln. Bis bei einer harmlosen Böe mit einem harmlosen Plopp der Gennaker komplett zerreißt. Shit happens!

Wie geplant nach fast 40 Stunden und 200sm laufen wir in die Ankerbucht bei Mahon, der Hauptstadt von Menorca ein. Hier wollen wir

  • Mahon genießen

  • uns neu verproviantieren

  • Wasser und Sprit tanken

  • die Gegend erkunden

  • und auf unsere Freunde Sabine und Gerrit warten, die in 5 Tagen zu uns stoßen werden.

Das Ankerfeld ist überschaubar groß, dafür gerammelt voll. Es dauert eine Weile bis wir ein Plätzchen gefunden haben, das tief genug für GYPSEA ist, genügend Platz zum Schwojen bietet und wo der Anker auch tatsächlich hält. Der Zufall will es, dass wir ganz in der Nähe von Claudia und Boris liegen, ein sehr nettes Segelpaar, das wir schon von Carloforte kennen.

Der gerissene Gennaker macht uns naturgemäß Gedanken, keine Sorgen. Wir wissen ja mittlerweile, dass sich beim Segeln die meisten Probleme irgendwie lösen lassen und am Ende alles gut wird. Jedenfalls beginnen wir diverse Anbieter zu googeln und unseren Segelmacher Jens in Lignano zu kontaktieren.

In der Ankerbucht liegt die kleine Schwester von unserer GYPSEA, eine Motiva 42, slupgetakelt und offenbar extrem gut gepflegt. Dieses Boot will ich mir natürlich genauer anschauen, so düse ich mit dem Dinghi alsbald hin. Den Besitzern, Gabi und Horst, geht es ähnlich, auch sie wollten uns einen Besuch abstatten. Wir kommen rasch ins Gespräch und fachsimpeln über unsere feinen Schifferl. Als ich betrübt die Geschichte vom Ableben unseres Gennakers berichtet, bietet mit Horst einen Parasailor an, den sie nicht verwenden. Wir werden rasch handelseins: wir probieren den Parasailor in den nächsten Tagen aus und wenn alles passt überweisen wir die Kohle, ansonsten geben wir das Segel retour. Langer Rede kurzer Sinn, wir sind jetzt stolze und glückliche Besitzer eines Parasailors, das Segel ist fabelhaft (wenn die Bedingungen stimmen und wir die Leinen auch richtig bedienen….).